Besonders die Auswirkungen von Korruption auf die Armen der Welt werden durch die Wirtschaftskrise verschärft

 

Wien, 03.06.2009: Das Korruptionsbarometer (Global Corruption Barometer), das zum sechsten Mal erscheint, basiert auf der „Voice of the People“-Umfrage von Gallup International. Es spiegelt die Antworten von 73.132 Personen in 69 Ländern wider, die von Oktober 2008 bis Februar 2009 befragt worden sind. Die Befragten wurden zu ihren Erfahrungen mit Schmiergeldern, ihrer Wahrnehmung zur Verbreitung von Korruption, ihren Ansichten zur Integrität in der Privatwirtschaft und ihrer Bewertung der Bemühungen ihrer Regierung zur Korruptionsbekämpfung befragt.

Unternehmen zahlen Bestechungsgelder, um Gesetzgebung und Regulierung zu beeinflussen. Diese Auffassung teilt mehr als die Hälfte der Befragten, die an der weltweiten Meinungsumfrage für das Korruptionsbarometer 2009 teilgenommen haben. Das Korruptionsbarometer, das Transparency International heute veröffentlicht, zeigt auch, dass ebenso viele Menschen bereit wären, für Produkte von korruptionsfreien Firmen mehr zu zahlen.

Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International: „Die Finanzmarktkrise hat die Öffentlichkeit ernüchtert; schwache Regulierungen und fehlende unternehmerische Verantwortlichkeit haben die Krise ausgelöst. Aber die Menschen sind bereit, saubere Geschäfte aktiv zu unterstützen. Jetzt ist es Aufgabe der Unternehmen, ihre Antikorruptionspolitik zu stärken und transparenter über ihre Beziehungen, auch finanziell, zu berichten.“

Das Korruptionsbarometer, für das über 73.000 Menschen aus 69 Ländern befragt wurden, macht deutlich, dass die Auswirkungen von Korruption auf die Armen unverhältnismäßig hoch sind. Im Allgemeinen werden die Bemühungen von Regierungen zur Korruptionsbekämpfung als ineffektiv, und Parteien, Parlamente und die Verwaltung als besonders korrupt angesehen.

 

Korruption beeinflusst die Entscheidungen von Konsumenten

Die Ergebnisse des Korruptionsbarometers senden ein wichtiges Signal an Unternehmen. Neben rechtlichen und finanziellen Risiken sowie der Gefahr der Rufschädigung erhalten sie einen weiteren Anreiz, der Öffentlichkeit glaubhaft zu vermitteln, dass sie sauber arbeiten. In Hongkong, Kambodscha, Liberia und Sierra Leone haben vier von fünf Befragten angegeben, dass sie für Produkte und Dienstleistungen von sauberen Unternehmen mehr zahlen würden.

Die Hälfte der Befragten hält Unternehmen für korrupt – das sind acht Prozentpunkte mehr als fünf Jahre zuvor. Im Vergleich zu anderen Institutionen gilt die Privatwirtschaft in zwanzig Prozent der befragten Länder sogar als der korrupteste Sektor – so auch in einigen der weltweit größten Finanzplätze wie Hongkong, Luxemburg und der Schweiz.

„Unternehmen müssen sich intensiver mit bestehenden Richtlinien zur Berichterstattung und Antikorruptionskodizes auseinandersetzen. Wichtig ist eine ernsthafte Umsetzung, ein klares Berichtswesen und die Etablierung von Benchmarks“ erklärte Robin Hodess, Abteilungsleiterin „Policy and Research“ bei Transparency International.

 

Korruption und Wirtschaftskrise: Die Armen sind doppelt bestraft

Es wird deutlich, dass die Ärmsten der Welt weiter unter Korruption leiden. Befragte mit niedrigem Einkommen sind durchweg häufiger mit Schmiergeldforderungen konfrontiert, als jene mit hohem Einkommen. Zudem gibt es einen Anstieg von Schmiergeldzahlungen in Bolivien, Ghana, Indonesien, Kambodscha, Kenia, Russland, Senegal und Venezuela. Haushalte mit niedrigem Einkommen kämpfen in der Wirtschaftskrise mit steigender Arbeitslosigkeit und sinkendem Einkommen – diese ohnehin schwierige Lage wird durch Korruption noch verschärft.

„In der Wirtschaftskrise geraten Haushalte mit geringem Einkommen immer häufiger in unmögliche Dilemmasituationen bei ihren Entscheidungen über knappe Ausgaben“ sagte Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International. „Schmieren Eltern den Arzt, um ihr krankes Kind behandeln zu lassen oder kaufen sie Essen für die Familie? Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass Familien weiterhin vor diesen Entscheidungen stehen.“

Im Kamerun, in Liberia, Sierra Leone und Uganda gaben mehr als 50 Prozent der Befragten an, dass sie in den letzten zwölf Monaten gezwungen waren, Schmiergelder zu zahlen. Im regionalen Vergleich schneiden der Mittlere Osten und Nordafrika am schlechtesten ab. Hier gaben vier von zehn Befragten an, im vergangenen Jahr Schmiergelder gezahlt zu haben. Die Polizei hat sich dabei als korrupteste Institution herausgestellt: Weltweit hat ein Viertel der Personen, die im vergangenen Jahr Kontakt mit der Polizei hatte, Schmiergelder gezahlt.

 

Bemühungen der Regierungen zur Korruptionsbekämpfung werden als ineffektiv angesehen

Nur drei von zehn Befragten glauben, dass die Bemühungen ihrer Regierung zur Korruptionsbekämpfung effektiv sind – wenngleich die Einschätzung in den Ländern Afrikas südlich der Sahara deutlich positiver ausfällt.

Die meisten der Befragten meinen auch, dass die bestehenden Anlaufstellen für Korruptionsbeschwerden ineffektiv sind. Weniger als ein Viertel derer, die Schmiergelder gezahlt haben, hat im letzten Jahr Anzeige erstattet oder eine Beschwerde eingereicht. Daraus lässt sich schließen, dass die Legitimität und Effektivität der Anlaufstellen in den Augen der Bevölkerung sehr gering ist. „Wenn Politikerinnen und Politiker den von Korruption betroffenen Menschen nicht zuhören, müssen sie damit rechnen, dass das Misstrauen und die Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Politik steigt“, so Labelle.

Wie auch in den vergangenen Erhebungswellen des Korruptionsbarometers halten 68 Prozent der Befragten Parteien für korrupt – im Vergleich zu anderen Institutionen gelten sie bei 29 Prozent der Befragten als am meisten korrupt. Gefolgt werden die Parteien von der Verwaltung mit 63 Prozent und dem Parlament mit 60 Prozent. Die Medien gelten zwar nicht als „sauber“, erzielen aber das beste Ergebnis: Lediglich 40 Prozent der Befragten halten sie für korrupt und nur sechs Prozent betrachten sie als die korrupteste Institution.

 

Forderung der Öffentlichkeit nach mehr Integrität in Politik und Wirtschaft

Das Korruptionsbarometer zeichnet ein bereits gewohntes Bild: Das Ansehen staatlicher Institutionen sowie deren Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung sind gering. Haushalte mit geringem Einkommen leiden darunter, dass sie für öffentliche Dienstleistungen, die ihnen eigentlich frei zur Verfügung stehen sollten, Schmiergelder zahlen müssen. Neu ist die zunehmend kritische Haltung gegenüber der Privatwirtschaft und die Bereitschaft der Konsumenten, für saubere Produkte und Dienstleistungen mehr zu bezahlen. Das diesjährige Korruptionsbarometer unterstreicht, dass sowohl im privatwirtschaftlichen als auch im öffentlichen Bereich enorme Anstrengungen notwendig sind, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zurück zu gewinnen.

 

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Dateien:

2009-06-03_Global Corruption Barometer 2009 – Ergebnisse international

2009-06-03_Global Corruption Barometer 2009 – Ergebnisse Österreich