Wien, 17.11.2009: Der Korruptionswahrnehmungsindex 2009 der internationalen Anti-Korruptions-NGO Transparency International zeigt, dass Korruption in Österreich international zunehmend kritischer eingeschätzt wird. Österreich liegt im weltweiten Vergleich von 180 Staaten (darunter allen OECD-Mitgliedern) 2009 mit 7,9 von maximal möglichen zehn Punkten auf Platz 16. Dies weist auf eine signifikante Verschlechterung binnen mehrerer Jahre hin – 2005 lag Österreich im Ranking auf Rang 10, 2008 (ex aequo mit Hong Kong) auf dem 12.-13. Rang. Während Österreich in diesem Jahrzehnt bislang im deutlich gehobenen Mittelfeld der entwickelten demokratischen Industriestaaten lag, droht es nunmehr nachhaltig zurückzufallen. Erstmals seit 1999 liegt Österreich beispielsweise im Ranking wieder hinter Deutschland.

Der Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) spiegelt die Wahrnehmung von Korruption im öffentlichen Sektor in 180 Staaten wider. Der Index basiert auf Umfragen unter Managern (heimischer und ausländischer) multinationaler Unternehmen und Einschätzungen spezialisierter Unternehmensberatungsinstitute. Gemessen wird die Verbreitung von Korruption im staatlichen Sektor (der Schwerpunkt der Fragestellungen der verwendeten Studien liegt auf der Bestechlichkeit von Amtsträgern im Sinne der Verbreitung/Wahrscheinlichkeit von illegalen Bestechungszahlungen an Beamte oder politische Entscheidungsträger). Für jedes untersuchte Land wird ein Punktwert zwischen null und zehn errechnet, wobei ein Wert von null Punkten ein sehr hohes Maß an wahrgenommener Korruption angibt, während zehn Punkte bedeuten, dass in diesem Land kaum Korruption wahrgenommen wird.

Der CPI ist nicht die einzige Beurteilung „von außen“, die ein zunehmend kritischeres Bild zeichnet. Erinnert sei an die detaillierte Untersuchung Österreichs durch die Staatengruppe gegen Korruption GRECO des Europarats 2008, die zahlreiche institutionelle Kritikpunkte sowie insgesamt 24 Vorschläge zur Verbesserung der Korruptionsprävention in Österreich erbrachte. Österreich wird bis Ende Dezember 2009 einen Bericht zur Umsetzung dieser Empfehlungen abzuliefern haben.

Mit der Strafrechtsnovelle vom Juli 2009 wurde seitens der österreichischen Politik hingegen ein – kontraproduktives – Signal in die gegenteilige Richtung einer „Entschärfung“ der Regeln gegen Korruption gesetzt:

 

Rückschritt in der Bekämpfung der Korruption

Das am 1. Jänner 2008 in Kraft getretene Strafrechtsänderungsgesetz 2008 bildete einen entscheidenden Schritt zur schärferen Sanktionierung der Korruption, weil es u.a.

  • auch geringfügige Zuwendungen im Zusammenhang mit einem pflichtgemäßen Verhalten eines Amtsträgers verbot,
  • die Geschenkannahme und Bestechung von Amtsträgern „im Hinblick auf ihre Amtsführung“, sohin ohne Bezugnahme auf eine konkrete Amtshandlung (sog. „Anfüttern“; § 304 Abs. 2 und § 307 Abs. 2 StGB), erstmals unter Strafe stellte, womit der Korruption bereits in einem frühen Stadium ein Riegel vorgeschoben wurde,
  • die aktive und passive Bestechung inländischer Abgeordneter strafbar stellte (§ 304a StGB).

Transparency International – Austrian Chapter kritisierte allerdings, dass die Strafbestimmung für inländische Abgeordnete nicht weit genug ging, da sie ein Privileg gegenüber ausländischen bzw. Abgeordneten zum Europäischen Parlament darstellte. Denn während inländische Abgeordnete nur wegen Geschenkannahme im Zusammenhang mit einer Abstimmung oder Wahl in einem Vertretungskörper unter Strafsanktion gestellt wurden, drohte (und droht) ausländischen Abgeordneten auch wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit ihrer sonstigen Tätigkeit (z.B. im Zusammenhang mit einer parlamentarischen Interpellation) eine strafrechtliche Verfolgung.

Alles in allem wurde jedoch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 von Transparency International – Austrian Chapter wegen seiner positiv zu beurteilenden Tendenz, gegen Korruption schärfer vorzugehen, begrüßt.

Gegen das neue Gesetz erhob sich jedoch alsbald Widerstand von Interessenvertretungen der Wirtschaft, des Sports und der Kultur. Dabei richtete sich die Kritik insbesondere gegen das Verbot des „Anfütterns“, die damit zu begründen versucht wurde, dadurch bestünde die Gefahr, Unternehmen würden ihre bisherige in der Abnahme größerer Kartenkontingente bestehende Sponsortätigkeit einstellen, da die unentgeltliche Verteilung derartiger Karten an als Gäste eingeladene Amtsträger strafrechtlich geahndet werde, wodurch sich für die Veranstalter ein schwerer wirtschaftlicher Nachteil ergäbe. Diese Argumentation übersah jedoch, dass die Sponsoren die Karten ohne weiteres an Privatpersonen und selbst an Amtsträger verschenken konnten, wenn dies nicht „im Hinblick“ auf deren Amtsführung erfolgte.

Durch gezieltes Lobbying gelang es tatsächlich, das Justizministerium und den Gesetzgeber dazu zu bewegen, die verschärften Antikorruptionsbestimmungen nach bloß rund eineinhalbjähriger Geltungsdauer einer grundlegenden Überarbeitung zu unterziehen. Nach einer vom Justizministerium mit nicht einmal 14 Tagen limitierten Begutachtungsfrist beschloss der Nationalrat am 8. Juli 2009 das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009 (in Geltung seit 1. September 2009). Dieses sieht u.a. eine Auffächerung der bisherigen „Geschenkannahme durch Amtsträger oder Schiedsrichter“ (§ 304 StGB) in „Bestechlichkeit“ (§ 304 neu StGB), „Vorteilsannahme“ (§ 305 neu StGB) und „Vorbereitung der Bestechlichkeit oder der Vorteilsannahme“ (§ 306 neu StGB) sowie neben der „Bestechung“ (§ 307 neu StGB) die neu geschaffenen Tatbestände der „Vorteilszuwendung“ (§ 307a StGB) und der „Vorbereitung der Bestechung“ (§ 307b StGB) vor.

Kritikabel an dieser Gesetzesnovelle ist ihre deutlich gemilderte Tendenz, die Korruption zu bekämpfen, indem die durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 geschaffenen Verschärfungen weitgehend zurückgenommen wurden. An dieser Einschätzung vermag auch die teilweise Anhebung von Strafobergrenzen für Korruptionsdelikte nichts zu ändern. Insbesondere betrifft die Kritik am Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009 folgende Neuerungen:

  • Durch die Neufassung des Begriffs des „Amtsträgers“ (§ 74 Abs. 1 Z 4a StGB) wird der Personenkreis, der wegen Korruption strafrechtlich verfolgt werden kann, deutlich eingeengt, da z.B. Organe oder Bedienstete ausgegliederter Rechtsträger, wie etwa der Post, der Bundesbahn oder der Wiener Linien, größtenteils ausgenommen sind.
  • Die Strafbarkeit des „Anfütterns“ wird praktisch eliminiert. Denn nunmehr soll die Vorteilsannahme (§ 306 neu StGB) bzw. die Vorteilszuwendung (§ 307a StGB) nur im Zusammenhang mit der „Anbahnung der Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes“ strafbar sein. Damit wird aber das ohne jede Bezugnahme auf ein Amtsgeschäft, sondern auf eine „Klimaverbesserung“ mit einem Amtsträger abzielende „Anfüttern“ straflos gestellt.
  • Die Strafbarkeit der Vorteilsannahme für pflichtgemäßes Verhalten eines Amtsträgers wird von einem „dienst- oder organisationsrechtlichen Verbot“ abhängig gemacht
    (§ 305 Abs. 1 neu und § 307a Abs. 1 StGB). Durch diese dynamische Verweisung auf andere – nicht notwendigerweise gesetzliche – Bestimmungen wird die Bewertung eines Verhaltens als korrupt vom Strafrecht auf außerstrafrechtliche Normen verlagert, die zudem, soweit es sich z.B. um unternehmensinterne Vorschriften handelt, der freien Disposition (beliebige Großzügigkeit oder Strenge unabhängig von kriminalpolitischen Erwägungen) des Normensetzers unterliegen, was mehr als problematisch ist. Wenn im Übrigen ein solches dienst- oder organisationsrechtliches Verbot fehlt (wie z.B. hinsichtlich der Mitglieder der Bundesregierung), hätte dies überhaupt Straflosigkeit zur Folge.
  • Bisher war das Fordern eines Vorteils durch Amtsträger stets mit Strafe bedroht. Nunmehr sehen bei dessen pflichtgemäßer Handlungsweise die § 305 Abs. 2 neu und § 306 Abs. 2 neu StGB Straflosigkeit vor, wenn dies „nach einer dienst- oder organisationsrechtlichen Vorschrift oder einer dienstrechtlichen Genehmigung ausdrücklich erlaubt“ Damit wird den Amtsträgern die Möglichkeit eröffnet, von sich aus einen Vorteil anzusprechen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.
  • Zwar unterwirft die Novelle die inländischen Abgeordneten dem Amtsträgerbegriff
    (§ 74 Abs. 1 Z 4a lit. a StGB), beschränkt jedoch ihre Strafbarkeit wegen Bestechlich-keit (§ 304 neu StGB) und Vorbereitung der Bestechlichkeit (§ 306 Abs. 1 neu StGB) darauf, dass sie in einer Wahl oder Abstimmung ihre Stimme abgeben (wie bisher) oder sonst in Ausübung der in den Vorschriften über die Geschäftsordnung des verfassungsmäßigen Vertretungskörpers festgehaltenen Pflichten eine Handlung vornehmen oder unterlassen (neu). Damit wird weiterhin keine strafrechtliche Gleichstellung der inländischen mit ausländischen bzw. Abgeordneten des Europäischen Parlaments erreicht und ihre durch nichts zu rechtfertigende Privilegierung aufrecht erhalten.

Das Strafrechtsänderungsgesetz 2009 bedeutet in seiner Gesamtheit einen „Kniefall“ vor einflussreichen Lobbys, vor allem was die faktische Eliminierung des Verbots des „Anfütterns“ anlangt. Aus Sicht von Transparency International – Austrian Chapter stellt es geradezu eine nachträgliche Bestätigung für die in dem im Dezember 2008 veröffentlichten Österreich-Bericht der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO-Bericht) enthaltene Kritik dar, wonach es in Österreich kein wirkliches Problembewusstsein für Korruption gibt und sich Österreich erst in einem frühen Stadium der Korruptionsbekämpfung befindet.

 

Korruptionsbekämpfung – kein Anliegen der Bundesregierung?

Transparency International – Austrian Chapter muss mit Bedauern feststellen, dass seine vor einem Jahr (anlässlich der Veröffentlichung des CPI 2008 und der absehbaren Regierungsbildung erhobenen) Vorschläge einer verbesserten Korruptionsbekämpfung seitens der Bundesregierung weitgehend ignoriert wurden. Alle damaligen Vorschläge (in Richtung einer ausreichenden personellen Ausstattung und Unabhängigkeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft, einer klaren gesetzlichen Regelung für ein Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, eines verbindlichen Verhaltenskodex für die Verwaltung, verstärkter Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in Vergabeverfahren und zur Bekämpfung von Subventionsbetrug, verbesserter Regeln und Kontrollen für die Finanzierung von Parteien und Politikern…) sind daher bedauerlicherweise weiterhin nahezu unverändert aktuell. Die bisherigen Aktivitäten von Regierung und Parlament bedeuteten statt dessen einen deutlichen Rückschritt – und ein auch international entsprechend wahrgenommenes Signal. Derartige internationale Kritik (wie sie im GRECO-Bericht und nun wohl auch in der Verschlechterung der internationalen Position im Korruptionswahrnehmungsindex zum Ausdruck kommt) darf Österreich auch unter dem Gesichtspunkt seiner Attraktivität als Wirtschaftsstandort nicht gleichgültig sein.

Sofern die seitens hochrangiger Vertreter der Republik gleichwohl stets geäußerte Beteuerung, an einer wirksamen Korruptionsbekämpfung interessiert zu sein, tatsächlich ernst gemeint sein sollte, dann seien diese vor allem auf zwei (von der oben kritisierten Strafrechtsnovelle sachlich nicht präjudizierte) Instrumente hingewiesen, die nach einhelliger Einschätzung von Korruptionsbekämpfern sowie der mit Korruptionsbekämpfung befassten internationalen Organisationen (wie UNO, Europarat/GRECO) sowohl für die Aufdeckung von Korruptionsstraftaten als auch präventiv im Vorfeld besonders wirksam sein würden:

  • Die Einführung einer Kronzeugenregelung für Korruptionsdelikte. Diese war 2007 bereits Teil der Vorschläge des Justizministeriums zur verstärkten Korruptionsbekämpfung, wurde jedoch „auf die lange Bank geschoben“.
  • Die Einführung eines rechtlichen Schutzes für sogenannte „whistle blower“ (Hinweisgeber).

 

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2009_11-17_Corruption Perceptions Index 2009 – Pressemitteilung international

2009-11-17_Corruption Perceptions Index 2009 – Ergebnisse