Transparency International analysiert die neuen Bestimmungen zur Bekämpfung der Korruption
Wien, 29.06.2012: Das am 27. Juni 2012 vom Nationalrat beschlossene Transparenzpaket besteht aus mehreren Gesetzen von unterschiedlicher Güte, sodass sich eine Gesamtbeurteilung des Pakets strenggenommen verbietet und eine differenzierte Beurteilung angebracht ist.
Kernstück ist das neue Parteiengesetz mit seinen Regelungen über die Spenden an politische Parteien.
„In seiner Gesamtheit stellt dieses Gesetz einen deutlichen Fortschritt gegenüber der geltenden Rechtslage dar, wobei allerdings nicht übersehen werden sollte, dass diese sich auf einem außerordentlich tiefen Niveau befindet“, so Dr. Franz Fiedler, Präsident des Beirats von Transparency International – Austrian Chapter (TI-Austria). „Auch gilt es zu berücksichtigen, dass dieses Gesetz von den Parteien weniger aus eigenem Antrieb als vielmehr aufgrund massiven Drucks auf internationaler Ebene, wie durch GRECO und OECD, sowie der Korruptionsskandale der letzten Jahre zustande gekommen ist.“
Positiv am neuen Parteiengesetz ist insbesondere hervorzuheben:
- die Transparenz bei Spenden über € 3.500
- keine Möglichkeit, durch Stückelung der Spenden die € 3.500-Grenze zu unterlaufen
- die Zusammenrechnung der Spenden auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene
- die Erfassung auch der Spenden an nahestehende Einrichtungen politischer Parteien
- das Verbot der Annahme von Spenden seitens der politischen Parteien und nahestehenden Einrichtungen insbesondere
- von Unternehmungen, an denen die öffentliche Hand mehr als 25% beteiligt ist
- über € 2.500 aus dem Ausland
- über € 1.000 von anonymen Spendern
- die Ausweitung des Spendenbegriffs auf Sachleistungen und lebende Subventionen
- die Transparenz auch von Sponsoring für politische Parteien und für Einschaltung von Inseraten in Parteizeitungen
- die Sanktionen für Verstöße gegen das Gesetz.
Weitaus weniger positiv ist, dass dem Rechnungshof als vertrauenswürdigster Kontrolleinrichtung der Republik nur eine eingeschränkte Prüfungstätigkeit zukommt, da es ihm nicht gestattet ist, in die Parteikassen Einblick zu nehmen. Eine solche limitierte Prüfungskompetenz ist für den Rechnungshof völlig atypisch.
Einen zweiten wesentlichen Teil des Transparenzpakets bilden die neuen strafrechtlichen Bestimmungen zur Bekämpfung der Korruption, die zwar als Schritt in die richtige Richtung zu bewerten sind, allerdings nichts anderes als die Schließung längst überfälliger Lücken darstellen.
Insbesondere ist an diesem Gesetz positiv zu vermerken:
- Abgeordnete, Regierungsmitglieder und Bürgermeister unterliegen künftig – wie schon bisher die öffentlich Bediensteten – sämtlichen Strafbestimmungen im Zusammenhang mit der Korruption
- die Strafbestimmungen gelten künftig für die Organe und Bediensteten aller der Prüfungszuständigkeit des Rechnungshof unterliegenden Einrichtungen, also zB auch für Organe und Bedienstete der ÖBB, der ASFINAG, der Post und der öffentlichen Energieversorger
Als Negativum ist allerdings zu kritisieren, dass das neue „Anfütterungsverbot“ von Amtsträgern nicht jene Strenge aufweist, wie sie im Jahre 2008 vom Gesetzgeber beschlossen wurde. „TI-Austria wird verfolgen, ob dieses „Anfütterungsverbot“ in der Zukunft als taugliches Instrument zur Korruptionsbekämpfung geeignet ist“ meint Prof. Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von TI-Austria.
Deutlich negativer fällt die Beurteilung des Lobbyistengesetzes aus, ungeachtet der Tatsache, dass es bisher diesbezüglich überhaupt keine gesetzlichen Regelungen gab.
Einzig positiv an diesem Gesetz erscheint:
- die Einrichtung eines Lobbying-Registers
- das ausdrückliche Verbot der Ausübung einer Tätigkeit als Lobbyist für öffentlich Bedienstete und Politiker.
Demgegenüber ist als negativ zu bewerten:
- die Sozialversicherungsträger sowie die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften sind zur Gänze von den Regelungen des Lobbyistengesetzes ausgenommen
- die kollektivvertragsfähigen Einrichtungen sind vom Lobbyistengesetz weitgehend ausgenommen, insbesondere von den Strafbestimmungen für den Fall des Zuwiderhandelns
- die Möglichkeit, dass die interessierte Öffentlichkeit Einsicht in das Lobbyisten-Register nehmen darf und damit Kenntnis erlangt, wer, wann, bei wem, wofür und gegen welchen Betrag lobbyiert hat, ist praktisch ausgeschlossen, sodass
- das Lobbyisten-Register keine Transparenz verschafft und damit in einem Paket, das sich den Beinamen „Transparenz“ gibt, völlig fehl am Platz ist.
„Dass im Zusammenhang mit dem Transparenzpaket die staatliche Parteienförderung nicht unwesentlich angehoben wird, muss gerade in Zeiten des Sparpakets auf weitgehendes Unverständnis der Bevölkerung stoßen. Dies leistet gewiss keinen Beitrag zu einer allgemeinen Akzeptanz des Transparenzpakets, was nach der Intention der politischen Parteien ganz offenkundig beabsichtigt war“, so Dr. Fiedler.
Die gesamte Stellungnahme zum Download finden Sie unter Stellungnahmen.
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