„Österreich hat auf dem Gebiet des Compliance Managements noch Aufholbedarf“ – Prof. Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende TI-Austria

 

Wien, 19.11.2013: Transparency International – Austrian Chapter (TI-Austria) ist der Überzeugung, dass Compliance (engl. Regeltreue) als wichtiger Teil der Korruptionsbekämpfung besondere Priorität eingeräumt werden sollte. „Ein Unternehmen oder eine Institution kann seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden, wenn es nicht aktiv Korruptionsprävention betreibt.“, so Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende des Austrian Chapters von Transparency International. Compliance Management hat das Ziel einen grundsätzlichen Wandel in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft hin zu einer freiwilligen und bewussten Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und Kodizes zu erreichen und stellt damit ein effektives und nachhaltiges Instrument zur Korruptionsbekämpfung dar. Compliance Management Systeme (CMS) bestehen aus verbindlichen Handlungsanleitungen für MitarbeiterInnen, Schulungsmaßnahmen und Kontrollsystemen. Voraussetzung für wirkungsvolle Compliance-Systeme ist die grundlegende Entscheidung und Überzeugung der Organisationsleitung, rechtskonformes Verhalten im Unternehmen durchzusetzen. Dazu legt Transparency International – Austrian Chapter folgendes Konzept vor:

Compliance zielt darauf ab, Eigenverantwortung und wechselseitige Kontrolle zu stärken. „Noch vor wenigen Jahren waren Compliance-Management-Systeme in Österreich kaum bekannt, geschweige denn umgesetzt. Erst Korruptionsskandale in Großunternehmen führten zu steigender öffentlicher Aufmerksamkeit.“, so Geiblinger.

„Wir brauchen eine Kultur der freiwilligen Befolgung von Gesetzen“, meint Tim Schmarbeck von Capgemini Consulting, Leiter der Arbeitsgruppe Compliance von TI-Austria. Die Compliance-Experten von TI-Austria – erfahrene Manager, Rechtsanwälte und Unternehmensberater – haben eine Liste von 15 praktischen Vorschlägen ausgearbeitet, die an Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gerichtet sind:

  • Besserer unternehmensinterner Schutz von Whistleblowern
  • Verbesserung von Whistleblowing-Meldesystemen (Websites etc.)
  • Aufnahme von Whistleblowing in die Standard- und Musterverordnung 2004
  • Einbezug von Lieferanten ins Compliance-Management-System (CMS)
  • Mehr Compliance-Verantwortung in Unternehmen mit Lobbying-Tätigkeit
  • CMS in Klein- und Mittelbetrieben fördern
  • Ganzheitliches CMS für die öffentliche Verwaltung
  • Beseitigung gesetzlicher Unklarheiten bei Aufmerksamkeiten geringen Wertes
  • Honorierung von Aufklärungsarbeit bei Strafverfolgung
  • Evaluierung des österreichischen Corporate Governance Kodex
  • Revision des österreichischen Public Corporate Governance Kodex (PCGK)
  • Einbezug von Unternehmen in Bereiche der Länder und Gemeinden in den österr. PCGK
  • Beseitigung von Kontrollücken bei Gemeinden unter 10.000 Einwohnern
  • Erfahrungs- und Wissensaustausch der Einrichtungen der öffentlichen Finanzkontrolle Österreichs ausbauen
  • Transparentere Gesetzgebungsverfahren

 

Compliance Management ist keine Frage der Organisationsform oder Unternehmensgröße

„Compliance Management Systeme müssen stets verbindliche Handlungsanleitungen für MitarbeiterInnen, Schulungsmaßnahmen und Kontrollmechanismen umfassen“, meint Andreas Kovar
von Kovar & Partners, Mitglied der TI-Austria Arbeitsgruppe Compliance. Diese kaufmännische Sorgfaltspflicht besteht für alle Organisationen unabhängig von der Gesellschaftsform, also auch für Vereine, Interessensvertretungen und öffentliche Unternehmen. Im Falle von Lobbyisten und Interessenvertretern gewinnt diese Forderung noch an weiterer Dringlichkeit, da hier in einem demokratiepolitisch besonders sensiblen Bereich – der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft – gearbeitet wird.

„Die Anforderungen an aktives Compliance-Management haben sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Die erfolgreiche Meisterung beginnt bei der Geschäftsleitung des
Unternehmens“, so Dr. Oliver Schütz, Head of Compliance bei der Bank Austria, UniCredit. TI-Austria fordert, dass Compliance Management zu einem verpflichtenden Standard bei Interessensvertretern werden muss. Auch in Klein- und Mittelbetrieben muss sichergestellt sein, dass alle Mitarbeiter die für sie relevanten gesetzlichen Regelungen kennen und befolgen. Bettina Knötzl, Partner bei Wolf Theiss und Mitglied der TI-Austria Arbeitsgruppe Compliance ergänzt: „Wenn dennoch etwas schief geht, so sollte das betroffene Unternehmen aktiv beitragen, den Sachverhalt zu klären. Dazu müssen Behörden solche Beiträge auch entsprechend würdigen.“

 

TI-Austria fordert von der Politik auch in der nächsten Gesetzgebungsperiode Initiativen ein

Transparency International – Austrian Chapter sucht die Zusammenarbeit mit öffentlichem und privatem Sektor auf allen Ebenen, um gemeinsam Lösungen zu finden, die fairen Wettbewerb und
Eindämmen der Korruption möglich machen. Dazu kündigt TI-Austria an, so wie bisher mit Vertretern der Justiz und mit der nächsten Bundesregierung direkt zusammenarbeiten zu wollen. Im Kapitel Justizpolitik der nächsten Regierungserklärung empfiehlt TI-Austria einen Schwerpunkt zur weiteren Korruptionsbekämpfung und ein detailliertes Programm zum Thema Compliance.

 

Weiterführende Informationen und das Forderungspapier zum Download unter Forderungspapiere.

 

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