Wien, 04.04.2014: Gemäß einer im Jahr 2013 von Transparency International publizierten Studie befindet sich Österreich betreffend den Schutz von Hinweisgebern im
EU-Vergleich im Mittelfeld. Zwar haben diverse öffentliche Institutionen (WKStA, .BAK, FMA etc.) Meldesysteme eingerichtet, doch der Schutz des Hinweisgebers nach der Abgabe einer Meldung ist nur im öffentlichen Recht umfassend geregelt – im privaten Sektor fehlt eine vergleichende Regelung. Diesen nahmen Deloitte Forensik und Transparency International – Austrian Chapter zum Anlass, um den bekannten Whistleblower und ehemaligen CEO von Olympus, Michael Woodford, einzuladen, seine Erfahrungen in einem persönlichen Vortrag darzulegen.

Diverse Studien der vergangenen Jahre haben aufgezeigt, dass in den Unternehmen die Aufdeckung von Missständen hauptsächlich durch die Abgabe interner Meldungen von Mitarbeitern erfolgte – den sogenannten „Whistleblowern“ (Hinweisgebern). Zwar wird gelegentlich der Terminus immer noch mit „Vernaderer“ und „Denunziant“ gleichgesetzt, jedoch hat sich in Österreich aufgrund der öffentlichen Einführung von Meldesystemen bei diversen Institutionen (z.B. WKStA, FMA) die Diskussion weiterentwickelt. Vor diesem Hintergrund war das Thema „Whistleblowing“, also die berechtigte Abgabe einer Meldung von Missständen bei einer internen oder externen Stelle, und der Schutz des Hinweisgebers, Gegenstand der 6. Sitzung der Arbeitsgruppe „Whistleblowing“ von Transparency International – Austrian Chapter am
3. April 2014. Als Vortragenden durfte die Arbeitsgruppe, die von Mag. Karin Mair, Partner & National Leader von Deloitte Forensic Austria, im Jahr 2009 gegründet wurde, den ehemaligen CEO von Olympus, Michael Woodford, begrüßen. Michael Woodford gilt als einer der bekanntesten Whistleblower und deckte im Alleingang einen der größten Betrugsfälle der japanischen Wirtschaftsgeschichte auf.

 

Österreich betreffend Schutz von Hinweisgebern im Mittelfeld

Anlass für diese 6. Sitzung der Arbeitsgruppe „Whistleblowing“ und die Einladung von Michael Woodford war eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie von Transparency International „Whistleblowing in Europe – Legal protections for Whistleblowers in the EU“, die unter der Mitarbeit von Mag. Mair und Mag. Shahanaz Müller, B.A. Senior Consultant bei Deloitte Forensic Austria, verfasst wurde. Diese Studie untersuchte, welche gesetzlichen Vorschriften in europäischen Ländern betreffend den Schutz von Hinweisgebern implementiert sind. Die Einteilung der Länder erfolgte anhand einer drei-stufigen Skala: fortschrittlich, teilweise und wenig bis gar keine Regelungen zum Schutz des Hinweisgebers. Österreich befindet sich im Mittelfeld und liegt damit gleichauf mit den Nachbarländern, wie Deutschland, Italien und Ungarn. Als fortschrittlich wurden insbesondere das Vereinigte Königreich und Luxemburg eingeordnet.

In Bezug auf Österreich wurde in dieser Studie beispielsweise das konkret eingerichtete Meldesystem der WKStA – die Whistleblower-Plattform – positiv hervorgehoben. „Per
1. Februar 2014 konnte diese Plattform bereits 1.200 Meldungen verzeichnen“, erläutert Mag. Mair. „Die Plattform ist mit einer Probezeit von zwei Jahren befristet. Es wird sich also weisen, ob dieses Hinweisgebersystem dauerhaft als ein Mittel zur Bekämpfung wirtschafts- und finanzstrafrechtlicher Delikte fungieren wird“.

In diesem Zusammenhang ergänzte Prof. Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von TI-Austria: „Auch beim BAK, dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, sowie bei der FMA (Finanzmarktaufsicht) wurden entsprechende Stellen zur Annahme von Meldungen von Hinweisgebern eingerichtet“.

Zudem wurde in der Studie bezugnehmend auf Österreich der konkrete Schutz des Hinweisgebers im öffentlichen Bereich positiv hervorgehoben. Als verbesserungsbedürftig erweist sich der Schutz im privaten Sektor – zwar sind vereinzelte Regelungen vorhanden, aber eine allgemeine Schutzklausel fehlt derzeit noch.

 

Whistleblower – Freund oder Feind?

Neben dem Schutz des Hinweisgebers ist die Aufarbeitung der Meldung in Unternehmen ein Thema. „Es hat sich bei den in der Vergangenheit publik gewordenen Fällen von Hinweisgebern gezeigt, dass diese meist zuerst die Meldung intern deponieren. Erst wenn von der internen Stelle dauerhaft keine konkreten Schritte gesetzt werden, wenden sich die Hinweisgeber an Dritte“, führt Mag. Mair aus. Die Verpflichtung zur Einrichtung eines Meldesystems kann sich für Unternehmen aufgrund von internationalen Vorschriften (dem Foreign Corrupt Practices Act, dem Sarbanes Oxley Act oder UK Bribery Act) ergeben. Im nationalen Recht wurde per 1. Jänner 2014 eine vergleichende Regelung zur Einrichtung von Hinweisgebersystemen im Finanzsektor geschaffen.

„Mit der Einrichtung eines solchen Systems allein ist es aber noch nicht getan“, erklärt Mag. Mair. „Gemäß internationalen Best-Practice-Kriterien ist auch die adäquate Aufarbeitung von Meldungen in Unternehmen essentiell“. Das bedeutet, die Unternehmen müssen konkrete Maßnahmen gesetzt haben, um die entsprechende Bearbeitung einer Meldung zu gewährleisten. Durch eine angemessene Bearbeitung kann das Unternehmen möglicherweise präventiv gegen Missstände vorgehen und entsprechende Maßnahmen setzen, um diese in Zukunft zu vermeiden/minimieren. Auch Michael Woodford versuchte zuerst intern die Vorstandsmitglieder zum Handeln zu bewegen – jedoch ohne Erfolg – kurze Zeit später wurde er gekündigt. Dies zeigt, dass neben einer Meldestelle auch weitere Bestandteile eines effektiven Compliance Management Systems im Unternehmen implementiert sein müssen, damit eine entsprechende Bearbeitung gesichert werden kann. Dazu gehört beispielsweise das „Tone from the Top“-Prinzip – die Vermittlung von Grundwerten und Verhaltensweisen durch die Unternehmensleitung – welches integrierter Bestandteil einer Unternehmenskultur sein sollte. Schließlich trägt die Unternehmenskultur dazu bei, ob Mitarbeiter sich überhaupt entscheiden, eine Meldung intern oder extern abzugeben oder gar keine Meldung zu deponieren. „Nach der Abgabe der Meldung steht der Hinweisgeber oft alleine dar“, resümiert Mag. Mair. „Viele Fälle zeigen, dass Hinweisgeber von ihren Kollegen gemieden werden. Selbst wenn der Hinweis berechtigt war, sind die meisten Hinweisgeber nach der Abgabe der Meldung nicht mehr in ihrem ursprünglichen Arbeitsverhältnis angestellt“.

 

Whistleblowing als probates Mittel zur Korruptionsbekämpfung

Ob Whistleblowing nun als probates Mittel zur Korruptionsbekämpfung eingesetzt wird, hängt sicherlich auch von der weiteren Vorgehensweise der Behörden ab. Es wird sich also erst in den nächsten Jahren zeigen, ob Hinweisgeber immer noch als „Denunzianten“ eingestuft werden oder ob Whistleblowing im privaten und öffentlichen Sektor als ein probates Mittel zur Korruptionsbekämpfung anerkannt und eingesetzt wird.

 

Studie „Whistleblowing in Europe – Legal Protections for Whistleblowers in the EU“

Am 5. November 2013 wurde von Transparency International die Studie “Whistleblowing in Europe – Legal Protections for Whistleblowers in the EU” veröffentlicht. An dieser Studie, die im Jahr 2012 ins Leben gerufen wurde, haben alle 27 EU-Staaten teilgenommen, wobei jeweils von den einzelnen Ländern ein Bericht zum Thema „Whistleblowing“ verfasst wurde. Im Fokus der Länderberichte stand die Analyse der Normen zum Schutz des Hinweisgebers im eigenen Land. Anhand einer dreistufigen Skala wurde eine Evaluierung der Länder vorgenommen: fortschrittliche, teilweise und keine/bis gar keine implementierten Regelungen zum Schutz des Hinweisgebers. Österreich befindet sich in Bezug auf diese Skala im Mittelfeld und liegt damit gleichauf mit den Nachbarländern, Deutschland und Ungarn. Die Ergebnisse der Studie können im Internet unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.transparency.org/whatwedo/pub/whistleblowing_in_europe_legal_protections_for_whistleblowers_in_the_eu.

 

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