Transparency International – Austrian Chapter präsentiert Lobbying-Bericht und Forderungen an die österreichische Bundesregierung
Wien, 03.12.2014: Das österreichische Lobbying-Register ist nun fast zwei Jahre alt, doch hat es wirklich mehr Transparenz in Österreichs Lobbying-Szene gebracht? Kaum, urteilt das österreichische Chapter von Transparency International in seinem heute erschienenen Bericht „Lobbying in Österreich“.
In den vergangenen Jahren wurde das Thema verstärkt mit Skandalen in Zusammenhang gebracht. Der Begriff „Lobbying“ gleitet immer mehr ab und wird inzwischen in einem Atemzug mit „Mauschelei“, „Freunderlwirtschaft“ und Einflussnahme hinter verschlossenen Türen genannt.
„Diese Entwicklung ist besorgniserregend, denn der ständige Informationsaustausch zwischen Verbänden, Unternehmen und Interessengruppen auf der einen Seite und Politik, Parlament und Verwaltung auf der anderen Seite ist wichtiger Bestandteil eines demokratischen Systems.“, so Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von Transparency International – Austrian Chapter. „Der Grundgedanke von Lobbying und Interessenvertretung ist die Mitbestimmung, Mitsprache und Beteiligung der Menschen und Organisationen, die von gesellschaftlichen oder anderen Entscheidungen oder Entwicklungen betroffen sind. Doch diese Mitsprache muss hinreichend offen und transparent erfolgen.“
Seit 1.1.2013 ist erstmals ein Lobbying- und Interessenvertretungsgesetz in Österreich in Kraft – dessen Einrichtung und das ausdrückliche Verbot der Ausübung einer Tätigkeit als Lobbyist für öffentlich Bedienstete und Politiker sind positive Entwicklungen. „Dennoch gibt es noch genug Handlungsbedarf – sowohl was die Regelungen für Lobbying betrifft, als auch das Umfeld, in welchem Lobbying stattfindet.“, so Magdalena Reinberg-Leibel, Autorin der TI-Studie.
Auch Lobbyisten selbst beklagen die mangelnde Transparenz des derzeitigen Systems und weisen auf dringend notwendige Nachbesserungen hin. Dr. Peter Köppl, Präsident der Österreichischen Public Affairs Vereinigung (ÖPAV): “ Es gibt wie in jeder Branche einzelne Akteure, die sich weder an Gesetze noch an Kodizes halten und deren Machenschaften dann umgangssprachlich mit ‚Lobbying‘ tituliert werden. Es sollte im Interesse aller – also auch Politik, Medien und NGOs – sein, sachlicher und seriöser mit der begrifflichen Trennung von ‚Lobbying‘ als demokratiepolitisch legalem und legitimen Instrument der Interessensvertretung und ‚Korruption‘ als klar definiertem Strafrechts-Verstoß umzugehen.“
Im Rahmen des Transparenzpakets 2012 gab es zwar einige Verbesserungen in den Bereichen Antikorruption und Parteienfinanzierung. Doch in zahlreichen Randbereichen gibt es nach wie vor Transparenzmängel und Lücken, wie zum Beispiel bei Informationsfreiheit und den zuständigen Aufsichtsbehörden, die nicht zuletzt aufgrund von mangelndem Personal straucheln, um fristgerecht ihren Aufsichtspflichten nachzukommen.
Transparency International – Austrian Chapter fordert daher eine Überarbeitung von Lobbying-Gesetz und -Register unter folgenden Gesichtspunkten:
- Einsicht ins Lobbyisten-Register: Die interessierte Öffentlichkeit hat de facto keine Einsicht in das Lobbyisten-Register und Möglichkeit, Kenntnis zu erlangen, wer, wann, bei wem, wofür und gegen welchen Betrag lobbyiert hat, ist in der gegenwärtigen Form des Registers praktisch ausgeschlossen, sodass das Lobbyisten-Register diesbezüglich keine ausreichende Transparenz verschafft;
- Gleichstellung aller Lobbying Betreibenden: Viele Gruppen, die Lobbying betreiben, sind zur Gänze von den Regelungen des Gesetzes ausgenommen, wie z.B. Sozialversicherungsträger und anerkannte Religionsgemeinschaften; andere sind weitgehend ausgenommen, insbesondere von den Strafbestimmungen für den Fall des Zuwiderhandelns. Wenn tatsächlich Transparenz in der österreichischen Lobbying-Szene geschaffen werden soll, wäre es vonnöten, hier Gleichheit aller Lobbying Betreibenden zu schaffen. Beurteilungskriterium soll allein die Tätigkeit selbst, und nicht die Stellung oder Funktion des Lobbyisten sein.
- Effektive Kontrollmechanismen: Fast zwei Jahre nach Einführung des Lobbying-Registers weist dieses klare Lücken auf. Bislang wurden auch noch keine der im Gesetz vorgesehenen Sanktionen umgesetzt – einerseits aufgrund der dezidierten Ausnahme von zwei der vier im Gesetz definierten Gruppen von jeglichen Sanktionen, andererseits fehlt es an Kontrollmechanismen.
- Beidseitige Offenlegungspflichten: Das Lobbying-Register ist zwar ein erster Schritt in Richtung Transparenz auf Seiten der Lobbyisten. Umgekehrt gibt es aber keinerlei Offenlegungspflichten für die Lobbyierten – auch in den diversen Codes of Conduct für den öffentlichen Dienst findet der Umgang mit Lobbyisten keine Erwähnung.
- Keine Schlupflöcher mehr: Zwar verbietet das Lobbying-Gesetz Politikern und öffentlich Bediensteten die Tätigkeit für eine Lobbying-Agentur oder als selbständiger Lobbyist; eine Nebentätigkeit in einem privatwirtschaftlichen Betrieb ist jedoch (meldepflichtig) erlaubt – auch in dessen PR- bzw. Lobbying-Abteilung. Hier gilt es, Gesetzeslücken zu schließen.
- „Cooling-off“-Phase für Politiker: Derzeit gibt es in Österreich keinerlei verpflichtende „Cooling-off-Phase“ für Politiker und Beamte vor deren Wechsel von der Politik in die Wirtschaft. Firmen können also gezielt Minister und Ministerinnen, aber auch hohe Beamte und Beamtinnen anwerben, damit sie in ihrer neuen Position bei der Regierung für ihren Arbeitgeber lobbyieren. Transparency International – Austrian Chapter fordert eine Wartezeit von mindestens einem Jahr vor dem Wechsel in ein Unternehmen, wenn ein Zusammenhang zwischen der bisher ausgeübten Tätigkeit und der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst beabsichtigten Tätigkeit besteht.
Zum Bericht: Die Studie „Lobbying in Österreich“ wurde im Rahmen der von Transparency International durchgeführten Studie „Lifting the Lid on Lobbying – Taking the Secrecy out of Politics in Europe“ nach einheitlichem Fragebogen für alle teilnehmenden Länder erstellt. TI hat sich mit dem in 19 EU-Ländern stattfindenden Forschungsprojekt zum Ziel gesetzt, nicht nur ein Bild der derzeitigen europäischen Lobbying-Landschaft zu schaffen, sondern einen Beitrag zu transparenterem und verantwortungsvollerem Lobbying sowohl auf EU-Ebene als auch in den einzelnen teilnehmenden Mitgliedsstaaten zu leisten.
Die Studie steht zum Download bereit unter Publikationen.
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Thomas Gradel
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