Erhöhung der Rechtssicherheit und Ausbau der Regelung notwendig

 

Wien, 30.08.2016: Die 2011 in Österreich probeweise und auf 5 Jahre befristet eingeführte Kronzeugenregelung war ein klarer Schritt in Richtung Transparenz und Förderung der Aufklärung von Wirtschafts- und Korruptionsdelikten. Wenn der Gesetzgeber nicht aktiv wird, läuft die Regelung, die sich in der Praxis bereits mit der Aufklärung eines sehr prominenten Falles bewährt hat, jedoch mit Ende 2016 ersatzlos aus.

„Die Regelung muss zumindest verlängert werden, idealerweise sollte sie ausgebaut werden“, fordert Bettina Knötzl, Präsidentin des Beirats von TI-Austria. „Ein Wegfall der aktuellen Kronzeugenregelung wäre ein gravierender Rückschritt im Kampf für Transparenz und gegen Korruption: Es gibt wohl kaum einen vernünftigen Grund, aussagewillige Kronzeugen zu stoppen, außer persönliche Betroffenheit.“

Das Konzept der Straffreiheit im Gegenzug für einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung eines Verbrechens ist in vielen Rechtsordnungen bereits seit langem etabliert. Mit Hilfe des Wissens eines Mittäters können komplexe Wirtschaftsdelikte wesentlich leichter aufgedeckt und aufgeklärt werden. Der Kronzeuge dient somit als Ermittlungswerkzeug zur Bekämpfung sonst schwer aufklärbarer und oft auch schwer beweisbarer Verbrechen, wodurch auch ein präventiver Effekt erzielt wird. Es erfordert jedoch Mut und bedarf daher eines Anreizes, Missstände, an denen man selbst beteiligt war, aufzuzeigen und sich dabei selbst zu exponieren.

Ein ersatzloser Wegfall der Kronzeugenregelung würde ein mangelndes Interesse an Aufklärung von Verbrechen signalisieren und wäre auch rechtsstaatlich bedenklich: Immerhin gibt es laufende Fälle, in welchen die Kronzeugenregelung in gutem Glauben in Anspruch genommen wurde, jetzt aber wegzufallen droht.

„Ziel nach Ablauf der fünfjährigen Probezeit muss sein, mehr Fälle zur Anzeige zu bringen und damit den Wert von Transparenz und Aufklärung in der öffentlichen Wahrnehmung zu steigern“, fordert Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von TI-Austria.

Verbesserungspotential bei der aktuellen Kronzeugenregelung sieht TI-Austria vor allem in der Erhöhung der Rechtssicherheit durch die folgenden Punkte:

  • Frühe Evaluierung der relevanten Kriterien

Die Kronzeugenregelung verlangt, dass der offengelegte Sachverhalt „wesentlich“ zur Aufklärung beiträgt. Die Ungewissheit, ob der Aufklärungsbeitrag am Ende des Verfahrens auch noch als „wesentlich“ beurteilt wird, schafft unnötige Rechtsunsicherheit. Diese Situation kann entschärft werden, indem die Einschätzung des Aufklärungsbeitrags ausschließlich ex ante – also basierend auf dem Wissen zum Zeitpunkt der Offenlegung – erfolgt. In der Folge sollte es für die Beibehaltung des Kronzeugenstatus ausreichend sein, wenn der Zeuge weiterhin zur vollen Kooperation bereit ist.

  • Klärung des örtlichen Wirkungsbereichs der Regelung

Wirtschafts- und Korruptionsdelikte weisen regelmäßig einen Auslandsbezug auf. Ein „österreichischer Kronzeuge“ muss daher befürchten, dass er sich aufgrund des offengelegten Sachverhalts dem Risiko einer gerichtlichen Verfolgung im Ausland aussetzt. Sinnvoll wäre hier ein Doppelverfolgungsverbot. Anzudenken ist eine ausdrückliche funktionelle Gleichstellung der Inanspruchnahme einer Kronzeugenregelung mit einer Bestrafung, so dass das „ne bis in idem“ Prinzip zur Anwendung gelangen kann. Aus diesem Grund fordert TI-Austria auch eine länderübergreifende Zusammenarbeit, um eine einheitliche Regelung zumindest für den EU-Raum zu erreichen.

  • Gewährung eines subjektiven Rechts auf eine Erledigung nach der Kronzeugenregelung

Die Entscheidung darüber muss einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein.  

Selbst wenn die aufgezeigten Schwächen nicht sofort beseitigt werden, sollte die Kronzeugenregelung keinesfalls ersatzlos außer Kraft treten. TI-Austria tritt vehement für eine Verlängerung der aktuellen Reglung ein.

 

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Transparency International – Austrian Chapter
Thomas Gradel
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