Transparency International – Austrian Chapter erhebt erstmalig die Transparenz und Integrität österreichischer Hochschulen

Wien, 26.09.2018: Transparency International – Austrian Chapter (TI-Austria) veröffentlicht heute den Bericht zur Vorstudie zu Drittmitteln an österreichischen Hochschulen. Diese wurde von der TI-Austria Arbeitsgruppe „Academic Governance“ konzipiert und befasst sich mit Formen von Korruption und Interessenskonflikten, die an Hochschulen im Kontext von Drittmittel-Kooperationen und darüber hinaus auftreten können. Die Vorstudie beschreibt strukturelle Gegenmaßnahmen, die solchen Problemen vorbeugen könnten.

Private Finanzierungsquellen spielen für den österreichischen Hochschulsektor grundsätzlich eine geringere Rolle als in anderen Industriestaaten. Dennoch lässt sich für die Zukunft zumindest die öffentlichen Universitäten betreffend ein ansteigender Trend ablesen. So sind die Drittmittelerlöse der öffentlichen Universitäten zwischen 2014 und 2016 von 635,3 Mio. € auf 670 Mio. € gestiegen.[1]

Konkrete Angaben dazu, welche Unternehmen welcher Hochschule wie viel Geld zu welchem Zweck zur Verfügung stellen, werden allerdings nicht veröffentlicht. Für Fachhochschulen, pädagogische Hochschulen und für Privatuniversitäten liegen keine Gesamtzahlen vor, da diese – anders als öffentliche Universitäten – zu keiner Veröffentlichung von standardisierten Indikatoren in Wissensbilanzen verpflichtet sind. Problematisch ist ferner das Amtsgeheimnis, welches EU-weit einzigartig in Österreich noch immer im Verfassungsrang steht, wodurch die Hochschulen – auch auf Anfrage – nicht zu einer Veröffentlichung spezifischer Informationen hinsichtlich ihrer Finanzierung verpflichtet sind.

Derzeit existieren in Österreich insgesamt 70 anerkannte Hochschulen, darunter 22 öffentliche Universitäten, 21 Fachhochschulen, 14 pädagogische Hochschulen und 13 Privatuniversitäten. Die Hochschulen hatten im Erhebungszeitraum zwischen Oktober 2017 und Mai 2018 Gelegenheit, die Fragebögen auszufüllen und an TI-Austria zu retournieren. Diese Möglichkeit wurde trotz mehrmaligen Urgierens lediglich von 15 der 70 Hochschulen wahrgenommen. Besonders bedauerlich war aus Sicht von TI-Austria der Beschluss der Universitätskonferenz, von einer Teilnahme abzusehen. Als Begründung hierfür teilte die Universitätskonferenz, in einem Absageschreiben vom 16.10.2017 mit „…, dass die österreichischen Universitäten derzeit zu den bestkontrollierten Einrichtungen der Republik zählen“. Besonders hervorzuheben ist die konstruktive Rolle vieler Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen und Privatuniversitäten, deren Bereitschaft an der Studie teilzunehmen diese erst ermöglicht hat.

Aus Sicht von TI-Austria ist es begrüßenswert, wenn bereits ein gut ausgebautes Kontrollsystem der öffentlichen Universitäten existiert. Darüber hinaus hätte eine Teilnahme an der Vorstudie „Drittmittel an österreichischen Hochschulen“ den öffentlichen Hochschulen die Chance geboten, Transparenz und Integrität zu zeigen. TI-Austria fordert, dass sich auch die öffentlichen Universitäten in Zukunft an Studien über die eigene Transparenz und Korruptionsresistenz beteiligen, da es ein bedeutender Teil einer umfassenden Transparenzkultur ist, dass man diese Transparenz auch der Öffentlichkeit sichtbar macht.

Die Ergebnisse der teilnehmenden Hochschulen zeigen, dass diese in vielen Bereichen bereits sinnvolle Strukturen nach höchsten internationalen Standards entwickelt haben und anwenden. In den Bereichen Finanzflüsse und Integrität der Hochschule hat ein großer Teil der teilnehmenden Hochschulen bereits sehr hohe Erfüllungsgrade vorzuweisen. Trotzdem gibt es noch viele Bereiche, wie zum Beispiel die Einrichtung unabhängiger Prüfungskommissionen, die Indikatoren-gestützte Bewertung von Korruptionsrisiken in einzelnen Bereichen oder die Offenlegung von Kooperationsverträgen, wo eine Mehrheit der teilnehmenden Hochschulen (noch) keine ausreichenden Maßnahmen und Instrumente einsetzt, um Korruptionsrisken zu minimieren.

Frau Professor Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von TI-Austria, stellt fest: „Unter dem Primat der Ökonomisierung öffentlicher Aufgaben leisten Drittmittel mittlerweile einen maßgeblichen Beitrag zur Finanzierung der österreichischen Hochschulen und insbesondere zur Finanzierung der Forschungsaktivitäten. Um unparteiliche, unabhängige Wissenschaft garantieren zu können, ist auf zweierlei hinzuweisen. Zum einen braucht es mehr Transparenz hinsichtlich der Geldflüsse zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Zum anderen ist auch auf die Gesamtauswirkungen hinzuweisen, welche die generell zunehmende Schieflage zwischen Grund- und Drittmittelfinanzierung der Hochschulen zur Folge hat. Um Forschungsfreiheit auf Dauer zu sichern, sollten Drittmittel auf keinen Fall Grundmittel ersetzen, sondern nur ergänzen. Forschungsfreiheit bedeutet frei von direkten politischen oder auch wirtschaftlichen Einflüssen zu sein.“

TI-Austria ist überzeugt, dass durch eine zu große Nähe von Forschung und Wirtschaft womöglich Interessenskonflikte, direkte oder indirekte Beeinflussungen der Forschungsergebnisse und letztlich eine Ausrichtung der gesamten Forschung an Interessen der privaten Geldgeber entstehen können. TI-Austria vertritt daher die Auffassung, dass die Öffentlichkeit darüber informiert werden muss, welches Unternehmen welcher Hochschule zu welchem Zweck wie viel finanzielle oder sonstige Mittel zur Verfügung stellt, und fordert daher:

  • Offenlegungspflichten von Verträgen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft (zumindest die Eckdaten wie Fördergeber, Förderhöhe, Förderzweck, Laufzeit etc. sollten an eine zentrale Datenbank gemeldet werden müssen, welche öffentlich einsehbar ist)
  • verpflichtende Sponsoring-Berichte für Hochschulen, z.B. in Form von zusätzlichen Kennzahlen oder einer Aufgliederung bestehender Kennzahlen in der Wissensbilanz
  • Verbot einer direkten finanziellen Abhängigkeit von Wissenschaftlern zu Drittmittelgebern
  • Uneingeschränktes Recht von Wissenschaftlern auf Veröffentlichung ihrer Forschung
  • Offenlegungsverpflichtung der Reviews bei Veröffentlichungen in Peer-Review Journalen zur Kontrolle von potenziellen Interessenskonflikten
  • Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen mit Gültigkeit auch für Hochschulen

 

Den vollständigen Bericht finden Sie unter: LINK

Kontakt für Rückfragen:
Transparency International – Austrian Chapter
Simon Büchler
Tel.: +43 (0)1 960 760
E-Mail: office[at]ti-austria.at

Endowed Chair of Corporate Governance & Business Ethics an der FHWien der WKW
Prof. Dr. Markus Scholz
Tel.: +43 (0)1 476 77–5737
E-Mail: markus.scholz[at]fh-wien.ac.at

[1] Universitätsbericht 2017 (S 134-135) https://www.bmbwf.gv.at/fileadmin/user_upload/Publikationen/Universit%C3%A4tsbericht_2017_barrierefrei.pdf