Die EU- Mitgliederstaaten in einer Abwärtsspirale bei der Vergabe von goldenen Pässen an die Super-Reichen

Wien, Brüssel, 11.10.2018: Die internationale NGO „Global Witness“ und die globale Antikorruptionsorganisation Transparency International veröffentlichen am 10.10.2018  ihren gemeinsamen Bericht hinsichtlich der Vergabe von sogenannten goldenen Pässen, worunter sich auch österreichische Beispiele befinden.

Entsprechend einem am 10.10.2018 veröffentlichten Bericht von Transparency International und Global Witness stehen die Türen Europas Kriminellen und korrupten Personen dank der laxen, undurchsichtigen und schlecht administrierten Vergabeschemata von goldenen Pässen weit offen. Der finanzielle Nutzen der Vergabepraxis von Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsgenehmigung mit Hilfe von Investitionen wird von Risken aus mangelhaften Überprüfungsverfahren, Interessenskonflikten und weiten Ermessensspielräumen überlagert, meinen beiden Anti-Korruptionsorganisationen.

Laure Brillaud, Anti-Geldwäsche Expertin bei Transparency International EU und Ko-Autorin des Berichts meinte: „Schlecht administrierte Vergabeschemata erlauben korrupten Individuen, ungehindert in der gesamten EU zu arbeiten und zu reisen, wodurch unsere kollektive Sicherheit beeinträchtigt wird. Aus diesem Grund ist eine EU-weite Aktion dringend erforderlich. Brüssel muss Standards für Vergabeschemata definieren und die Befolgung durch alle Mitgliedsstaaten sicherstellen, welche Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigungen gegen Investitionen anbieten.“

Obwohl die goldenen Pässe Vergabeschemata geheim gehalten werden, lässt sich aus verfügbarem Datenmaterial ablesen, dass mindestens 6000 Pässe und fast 100.000 Aufenthaltsgenehmigungen in der EU in den letzten 10 Jahren verkauft wurden, wovon die meisten von Spanien, Ungarn, Litauen, Portugal und Großbritannien gewährt wurden – ungefähr 10.000 pro Land.

Goldene Pässe Vergabeschemata haben in allen Mitgliedsstaaten ungefähr 25 Milliarden Euro an Direktinvestitionen generiert. Zypern erreichte 4,8 Milliarden Euro seit 2013, Malta 718 Millionen seit das Vergabeschema 2014 eingeführt wurde.

Trotz der großen Beträge scheinen Zypern und Portugal keine Fragen nach der Herkunft der Gelder der Antragswerber zu stellen. In Malta können selbst Antragswerber mit Vorstrafen, oder gegen die Untersuchungsverfahren laufen, unter „bestimmten Bedingungen“ als anspruchsberechtigt betrachtet werden.  Die hohe „Erfolgsquote“ der Antragswerber bei 90% lässt in Ungarn, Litauen und Großbritannien Zweifel aufkommen, wie selektiv die Überprüfungen in einigen Mitgliederstaaten durchgeführt werden.

In Österreich besteht eine Ausnahmeregelung im Staatsbürgerschaftsrecht (StbG 1985 §10 Abs. 6), welche den Erwerb österreichischer Staatsbürgerschaften im Schnellverfahren und unter erleichterten Voraussetzungen ermöglicht. Die einzige Bedingung ist, dass „die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt“. Welche Leistungen im Interesse der Republik liegen, wurde 2014 in einem Kriterienkatalog näher umschrieben. Trotzdem stellt die Beurteilung nach wie vor eine Ermessensfrage der Regierung dar und das Verleihungsverfahren ist intransparent. Zahlen, über die mit der Staatsbürgerschaftsverleihung in Verbindung stehenden staatlichen Einnahmen oder die Erfolgsquote der Antragswerber, sind in Österreich nicht öffentlich einsichtig und werden auch auf Nachfrage an die Behörden nicht zur Verfügung gestellt.

Laut Statistik Austria wurden zwischen 2006 und 2017 303 Staatsbürgerschaften im besonderen Interesse der Republik verliehen. Für den Zeitraum davor liegen keine Zahlen vor. Während die Vorgängerregierung seit 2017 die Namen und Professionen der Personen, welche eine Staatsbürgerschaft verliehen bekamen, erstmalig veröffentlichte, hat die aktuelle Regierung mit Verweis auf die EU-Datenschutzgrundverordnung diese Veröffentlichung wieder zurückgenommen. Aus Sicht von TI-Austria ist dies ein bedauerlicher Rückschritt. Die bloße Veröffentlichung der Namen ist allerdings nicht ausreichend daher fordert TI-Austria ein transparentes Verleihungsverfahren, welches die vorhergehenden Stellungnahmen und Empfehlungen von Unterstützern sowie die konkreten Prüfungsergebnisse der zuständigen Ministerien offenlegt und klare Rechenschafts- und Integritätspflichten der Staatsbürgerschaftsbewerber beinhaltet.

„Konkrete Fälle aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass die fehlende Transparenz bei der Verleihung von Staatsbürgerschaften im Schnellverfahren nicht nur international, sondern auch in Österreich ein Einfallstor für Korruption darstellt. Korruption darf jedoch nicht „Part-of-the-Game“ sein. Deshalb sollte Österreich unter allen Umständen vermeiden, auch nur den Anschein zu erwecken, dass man sich hierzulande Staatsbürgerschaften kaufen kann“, betont Prof. Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von Transparency International – Austrian Chapter (TI-Austria).

Da ein von einem Mitgliedsstaat verliehenes Aufenthaltsrecht und eine Staatsbürgerschaft aber die gesamte EU betreffen, rufen Transparency International und Global Witness die EU Institutionen dazu auf:

  • EU-weite Standards für die goldenen Pässe Vergabeschemata mit erweiterten transparenten Sorgfalts- und Überprüfungsprozessen einzuführen;
  • Die Risiken, die derartige Vergabeschemata für die EU als Ganzes darstellen, zu identifizieren, regelmäßig zu bewerten und entsprechend zu mindern;
  • Zu versuchen, die Anti-Geldwäsche Regeln insofern auszuweiten, damit sie auf alle Beteiligten der golden Pässe Industrie anwendbar sind;
  • Einen Mechanismus einzuführen, der Informationen zu Anträgen, Investitionen und Ablehnungen sammelt und koordiniert;
  • Verfahren gegen Mitgliedsstaaten einzuleiten, deren Vergabeschemata die kollektive Sicherheit der EU Staaten bedrohen könnte;

Weitere Informationen:

Kontakt für Rückfragen:
Transparency International – Austrian Chapter
Simon Büchler
Tel.: +43 (0)1 960 760
E-Mail: office[at]ti-austria.at

Transparency International
Lucinda Pearson
Tel.: +32 485 02 19 84
E-Mail: lpearson[at]transparency.org