Umsetzung der EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz in Österreich

Im Oktober 2019 hat die Europäische Union eine Richtlinie zum Schutz von Personen verabschiedet, die im beruflichen Zusammenhang Verstöße gegen geltendes EU-Recht melden. Der österreichische Gesetzgeber muss nun bis Dezember 2021 einen gesetzlichen Rahmen schaffen, der Hinweisgeber vor Repressalien schützt. Dieser Rechtsrahmen muss mindestens den Anforderungen der Richtlinie entsprechen.

Transparency International setzt sich seit Jahren für eine umfassende Gesetzgebung zum Hinweisgeberschutz ein.

Hinweisgeber sind bei der Aufdeckung von Rechtsverstößen, die das öffentliche Interesse gefährden oder schädigen bzw. insbesondere bei der Aufdeckung von Korruptionsfällen und anderen Straftaten, unverzichtbar. Ohne sie würden viele Fälle von Wirtschaftskriminalität und Machtmissbrauch unerkannt bleiben. Zudem wirken Hinweisgebersysteme präventiv gegen Fehlverhalten, weil die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung erhöht wird.

Hinweisgeber erleiden häufig erhebliche Nachteile, die auch existenzbedrohend sein können. Daher begrüßen wir ausdrücklich die EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz. Ein nationales Gesetz muss nun auf Basis dieser Richtlinie Rechtssicherheit für Hinweisgeber herstellen und zugleich ausreichenden Schutz vor bewusst falschen Beschuldigungen sicherstellen. Hinweisgeber, Unternehmen, Verfolgungsbehörden und Justiz müssen klare und verständliche Regelungen anwenden können.

Die Hinweisgeber-Richtlinie ist eine Querschnittsmaterie. Die Umsetzung der Richtlinie in das österreichische Recht betrifft viele unterschiedliche Gesetze und Zuständigkeiten. Vor allem sieht die Richtlinie im Hinblick auf die Schaffung von Hinweisgebersystemen weitgehende Pflichten für Unternehmen und Behörden vor. Erst mit dem Umsetzungsgesetz wird ausreichende Klarheit bestehen, welche Maßnahmen die Unternehmen und Behörden setzen müssen. Im Interesse der Verpflichteten ist hier eine ausreichende Umstellungszeit vor Inkrafttreten der Verpflichtungen vorzusehen. Mit den Arbeiten zur Umsetzung sollte daher rasch begonnen werden.

Transparency International Austrian Chapter fordert daher:

1. Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Verstöße gegen nationales Recht

Der Anwendungsbereich der Richtlinie bezieht sich aufgrund der eingeschränkten EU-Kompetenzen lediglich auf Meldungen zu ausgewählten Rechtsbereichen des EU-Rechts. Hinweisgeber, die Verstöße gegen rein nationales Recht melden, sind nach dieser Richtlinie nicht geschützt. Eine Ausweitung des Schutzbereiches auf Meldungen zu Verstößen gegen nationales Recht, die das öffentliche Interesse gefährden oder schädigen, ist dringend erforderlich, um alle Hinweisgeber gleichermaßen schützen zu können. Die Gesetze, die dem Schutzbereich zuordenbar sind, müssen genau definiert werden. So sollte ein breiter Schutz für Personen erreicht werden, die im guten Glauben Verstöße melden.

Wir halten es für zwingend erforderlich, dass der Gesetzgeber vor allem im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Gesetzes klare Regeln schafft. Er muss die Anwendung auf nationales Recht ausweiten und Hinweise auf Verstöße jedenfalls gegen nationales Strafrecht sowie auf sonstiges Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im allgemeinen öffentlichen Interesse liegt (bspw. nationales Kartellrecht), schützen.

2. Vereinheitlichung des Hinweisgeberschutzes in einem Gesetz

Im österreichischen Recht existieren bereits einzelne Regelungen zur Meldung von Rechtsverstößen. Es wäre wünschenswert, dass der österreichische Gesetzgeber die Möglichkeit nutzt und ein einheitliches Rahmengesetz zum Schutz von Hinweisgebern einführt, um die Regelungen übersichtlich zu gestalten und Rechtssicherheit zu schaffen. In diesem Gesetz sollte insbesondere abschließend geregelt werden, welche juristischen Personen des privaten und öffentlichen Sektors über ein Hinweisgebersystem verfügen müssen, mit welchen Funktionen das Hinweisgebersystem ausgestaltet sein muss, unter welchen Bedingungen ein Hinweisgeber Hinweisgeberschutz genießt und welche Sanktionen im Fall eines Verstoßes gegen das Rahmengesetz gelten.

Bestehende Regelungen sollten in das neue Gesetz integriert werden, um die einfache praktische Umsetzung und Handhabe zu ermöglichen und Hinweisgebern Rechtssicherheit zu bieten.

3. Ausstattung externer Behörden

Der Hinweisgeber hat laut EU-Richtlinie das Recht, die Wahl des geeigneten Adressaten für die Meldung eines Verstoßes selbst zu treffen und sich auch ohne vorherige interne Meldung an seinen Arbeitgeber direkt an zuständige externe Behörden zu wenden – dies muss auch bei Hinweisen auf Verstöße gegen nationales Recht gelten. Die Ausstattung der zuständigen Behörden mit entsprechenden Kompetenzen, finanziellen Mitteln und Personal ist deshalb von zentraler Bedeutung.[1]

Dies hätte den zusätzlichen Effekt, dass ein Anreiz für Arbeitgeber geschaffen wird, ihre eigenen internen Meldekanäle attraktiv für Hinweisgeber zu konzipieren, damit diese indirekt angeregt werden zuerst intern zu melden.

Neben den bereits etablierten Hinweisgebersystemen bei Behörden (bspw. WKStA, FMA, BWB) wäre eine neu einzurichtende, weisungsunabhängige, zentrale externe Anlaufstelle, mit ausreichenden Ressourcen wünschenswert.

4. Vereinheitlichung des Schutzes für öffentlich Bedienstete (Beamte und Vertragsbedienstete)

Die Richtlinie gilt ausdrücklich auch für Beamte. Im öffentlichen Sektor wird das Meldeverfahren derzeit durch die beamtenrechtlichen Pflichten bestimmt, sodass sich ein Beamter mit der Meldung rechtswidriger Umstände grundsätzlich an seinen Vorgesetzten wenden muss. Nur wenn der Beamte im guten Glauben den begründeten Verdacht einer Korruptionsstraftat meldet, ist er nach § 53a BDG (der gemäß § 5 VBG auch für Vertragsbedienstete gilt) ausdrücklich geschützt.

Bei der Umsetzung der Hinweisgeberrichtlinie in nationales Recht, soll darauf geachtet werden, dass öffentliche Bedienstete vollumfänglich vom Schutz der Richtlinie erfasst werden.

5. Ermöglichung von anonymen Hinweisen

Die Richtlinie stellt es den Mitgliedstaaten frei, ob Arbeitgeber und die zuständigen externen Behörden anonyme Meldungen über Rechtsverstöße entgegennehmen und diesen nachgehen müssen. Der österreichische Gesetzgeber sollte eine allgemeine Pflicht zur Entgegennahme und angemessenen Nachverfolgung auch von anonymen Meldungen vorsehen. Jedenfalls mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (§ 221 UGB) und Einrichtungen, die einer Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, sowie die externen Behörden, die mit Meldungen konfrontiert sind, sollten zur Einrichtung von anonymen Meldewegen verpflichtet werden.

6. Schaffung eines Unterstützungsfonds für Hinweisgeber

Die Richtlinie hebt die Bedeutung weitergehender Ressourcen zur Unterstützung von Hinweisgebern durch staatliche wie nichtstaatliche Stellen besonders hervor. Die Einrichtung eines Unterstützungsfonds für Hinweisgeber, aus dem die Beratung und Unterstützung von Hinweisgebern sowie der Ausgleich von persönlichen Nachteilen erbracht werden kann, wäre wünschenswert. Ziel ist dabei nicht die Belohnung der Erstattung von Meldungen, sondern insbesondere die Hilfeleistung in Bezug auf die Rechtsdurchsetzung (Durchsetzung des gesetzlich gewährleisteten Schutzes vor Gericht).

 

  1. Weitere (gesetzliche) Schutzmaßnahmen

Darüber hinaus empfehlen wir weitere gesetzliche Regelungen zu erlassen bzw. zu Maßnahmen zu setzen, wie beispielsweise:

  • In Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, in Städten und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern sowie in allen politischen Parteien ist verpflichtend ein angemessenes Compliance Management System inklusive Hinweisgebersystem einzurichten. Dies kann durch Incentivierung (bspw. Milderungsgrund bei allfälligen Strafen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz) und parallel durch die Einführung von Sanktionen gegen juristische Personen, die keine derartigen Systeme einrichten, gefördert werden.
  • Einrichtung einer weisungsfreien zentralen Beratungsstelle („Helpdesk“) für Hinweisgeber mit Lotsenfunktion zu zuständigen Behörden und zur rechtlichen und psychologischen Unterstützung.
  • Verbot der Benachteiligung von Hinweisgebern, die im guten Glauben handeln; dies betrifft sowohl die Offenbarung des Missstandes als auch die Beschaffung der Information sowie das Vertrauen auf einen gesetzlichen Schutz als Hinweisgeber.
  • Klare gesetzliche Regelungen zur Wahrung der Vertraulichkeit von Meldungen sowie der Identität des Hinweisgebers, wenn diese dem Empfänger der Meldung bekannt ist.
  • Operationelle Hilfestellungen bei der Implementierung (bspw. Benennung oder Einrichtung einer Behörde, welche für juristische Personen im Rahmen der Implementierungsphase des Hinweisgebersystems als Anlaufstelle für Fragen fungiert).
  • Ausweitung des Schutzes des Hinweisgebers hinsichtlich der Gefahr der indirekten Einflussnahme im Wege der Beeinflussung des Bearbeiters des Hinweises durch Dritte.

Anmerkung:

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in diesem Dokument die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

[1] Anmerkung: So sollte die IT Ausstattung, die auch anonyme Meldungen erlauben (vertraulich und anonym), eine entsprechende Rückmeldungsfunktion beinhalten.