Transparency veröffentlicht Korruptionsbarometer für EU-Mitgliedstaaten
Wien / Berlin, 15.06.2021: Die internationale Anti-Korruptionsorganisation Transparency International präsentiert das Global Corruption Barometer (GCB) für EU-Mitgliedstaaten. Das GCB ist eine Umfrage über Wahrnehmungen und Erfahrungen der Bevölkerung in Bezug auf Korruption. Für das GCB wurden rund 40.600 Personen in 27 EU-Mitgliedstaaten befragt. Fast die Hälfte der befragten Bevölkerung in der EU gibt an, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Korruption keine gute Arbeit leisten.
Frau Prof Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von TI-Austria, sagt zum Ergebnis: „Die Umfrage verdeutlicht, dass Korruption im täglichen Leben für die Bevölkerung in der EU nach wie vor eine große Rolle spielt. Dies sollte den Regierungen zu denken geben. Das Vertrauen der Bevölkerung in Entscheidungsträger ist essenziell für eine funktionierende Demokratie!“
Herr Luca Mak LL.M., Geschäftsstellenleiter von TI-Austria, erklärt: „Die Bevölkerung wurde u.a. zu Erfahrungen mit Schmiergeldzahlungen, Wahrnehmungen zur Verbreitung von Korruption, Einschätzungen welche Institutionen besonders betroffen sind, sowie zu den Bemühungen der Regierungen zur Korruptionsbekämpfung interviewt.“
Ergebnisse Europäische Union
Das von Transparency International veröffentlichte Global Corruption Barometer (GCB) – European Union zeigt, dass fast ein Drittel der Menschen davon ausgeht, dass die Korruption in ihrem Land zunimmt.
Drei von zehn Befragten gaben an Bestechungsgelder gezahlt oder persönliche Kontakte genutzt zu haben, um Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung oder Bildung zu erhalten. Dies entspricht mehr als 106 Millionen Menschen in der Europäischen Union.
Laut 65 % der Bevölkerung Zyperns sowie 51 % der Bevölkerung Sloweniens, hat Korruption im jeweiligen Land, in den letzten 12 Monaten, zugenommen.
Ergebnisse Österreich
Aus österreichischer Sicht fällt dabei vor allem eines auf: Neun Prozent der befragten Bevölkerung in Österreich, welche eine öffentliche Dienstleistung in Anspruch genommen haben, gaben an dafür Bestechungsgelder bezahlt zu haben. Damit liegt Österreich über dem EU-Durchschnitt von sieben Prozent.
Bestechung ist nicht die einzige Form von Korruption. Durch „Freunderlwirtschaft“ können Vorschriften umgangen werden. Beispielsweise indem man persönliche Kontakte nutzt, um eine (qualitativ besser) öffentliche Dienstleistung z.B. im Gesundheitssektor, Bildungssektor oder auch Sozialleistungen zu erhalten. 40 Prozent der befragten Bevölkerung in Österreich gaben an persönliche Kontakte genutzt zu haben, um in den letzten 12 Monaten eine öffentliche Dienstleistung zu erhalten. Auch in dieser Kategorie liegt Österreich deutlich über dem EU-Durchschnitt von 33 Prozent.
Geiblinger führt aus: „Österreich liegt in den entscheidenden Umfragekategorien über dem EU-Durchschnitt, leider in negativer Hinsicht. Dies zeigt deutlich, dass sich die jüngsten Ereignisse in der österreichischen Innenpolitik, bei der Bevölkerung eingeprägt haben.“
Mak führt ein weiteres Element des Reports an: „Das GCB-EU beinhaltet auch Daten über geschlechtsspezifische Korruption. Bei dieser Art von Korruption werden Menschen mit Forderungen sexueller Art konfrontiert. Menschen werden z.B. zu sexuellen Handlungen im Austausch für Dienstleistungen, u.a. im Gesundheits- und Bildungsbereich, gezwungen. Neun Prozent der befragten Personen in Österreich wurden entweder selbst mit einer derartigen Forderung konfrontiert oder kennen jemanden. Auch hier liegt Österreich zwei Prozent über dem EU-Durchschnitt. Dies sollte die Alarmglocken schrillen lassen.“
Geiblinger gibt zu bedenken: „dass in Österreich die Bevölkerung den Glauben daran verliert, selbst etwas bewegen zu können und auch ein Teil der Lösung zu sein. Die allgemeine Resignation in Bezug auf das Thema Korruption wird immer deutlicher spürbar!“ Mak dazu:“ In Österreich ist weniger als die Hälfte der Bevölkerung davon überzeugt, Korruption zu verhindern oder minimieren zu können. Der Unterschied zu anderen EU-Mitgliedstaaten (67 Prozent) ist bedauerlich.“
„Die Umfragedaten geben Anlass zu Sorge und müssen als Weckruf dienen! Verlorenes Vertrauen innerhalb der Bevölkerung wieder zurückzugewinnen ist sehr schwer. Ob diese Zahlen in den nächsten Jahren u.a. durch die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts verbessert werden, bleibt abzuwarten. Die Umfrage verdeutlicht, dass Minimallösungen beim Thema Transparenz für die Bevölkerung nicht akzeptabel sind!“, meint Geiblinger.
Mak weist darauf hin, dass: „vor allem der Schutz von Hinweisgebern, die Verschärfung des gesetzlichen Rahmens für Lobbying und Mechanismen zur Vermeidung von Postenschacher in Österreich Problembereiche darstellen. Weiters soll Anti-Korruption auch in den Ethikunterricht implementiert werden. Die Regierung muss sich bei der gesetzlichen Umsetzung am internationalen Standard orientieren.“
Methodik:
„Für das GCB 2021 wurden 40.600 Personen in 27 EU-Mitgliedstaaten befragt. In Österreich wurden 903 Erwachsene durch das Unternehmen Kantar TNS Info Research Austria, im Auftrag von Transparency International, interviewt. Die Feldstudien wurden zwischen 13. Oktober und 6. Dezember 2020 mittels telefonischer Interviews durchgeführt. Anders als beim Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) basiert der GCB nicht auf Experteninterviews, sondern auf Meinungsumfragen innerhalb der Bevölkerung.“, so Mak.
- Der vollständige Bericht (in Englisch) kann ab Juni (06:01 Uhr) auf der Website des TI-Sekretariats abgerufen werden: https://www.transparency.org/en/ (Global Corruption Barometer – European Union)
TRANSPARENCY INTERNATIONAL AUSTRIA
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Luca Mak LL.M. (WU)
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