Präambel

TI-Austria setzt sich seit der Gründung im Jahr 2005 für mehr Transparenz in der öffentlichen Verwaltung und in öffentlichen Unternehmen ein. Beispielsweise auch in Kapitel 9. des „Forderungspapiers an den Nationalrat und die Bundesregierung“ aus dem Jahr 2017.[1] Das „Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehren“ hat dieses Thema ebenfalls in Kapitel 2.2. aufgegriffen.[2] Im vorliegenden TI-Austria Empfehlungspapier der Arbeitsgruppe Staatsnahe Unternehmen wurden nun Problembereiche definiert und auch konkrete Lösungsvorschläge skizziert.

Grundlage in staatsnahen Unternehmen

Das Stellenbesetzungsgesetz (StellBG) ist seit 1998 in Geltung und regelt die Bestellung von Mitgliedern von Vorständen bzw. Geschäftsführungen von Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Zentrales Gebot ist, dass die jeweilige Führungsposition ausschließlich auf Grund der Eignung der Bewerber*innen zu besetzen ist. Im StellBG selbst sind die Ausschreibung der Stelle, die Umstände der Bewerbung, die Parameter der Besetzung, die Veröffentlichung der Besetzungsentscheidung und der Anstellungsvertrag[3] geregelt.

Grundlage in der öffentlichen Verwaltung

Das Ausschreibungsgesetz 1989 (AusG) regelt für den Bundesdienst das Verfahren einerseits bei der Aufnahme neuer Mitarbeiter*innen und andererseits bei der Besetzung von Leitungsfunktionen. Im Gegensatz zum StellBG sind im AusG die Ausschreibung, die Bewerbung und das Verfahren viel ausführlicher und den unterschiedlichen Dienstverhältnissen entsprechend differenzierter geregelt. Insbesondere normiert das AusG die Tätigkeit verschiedener Kommissionen[4], wie der Begutachtungskommissionen, der Weiterbestellungskommission und der Aufnahmekommissionen.

Der leichte Weg zum „Postenschacher“

Die Nichteinhaltung des StellBG oder des AusG bzw. deren allfällige Umgehung wird gewöhnlich mit „Postenschacher“ beschrieben. Da es sich dabei in vielen Fällen um den Missbrauch (vom Staat) überantworteter Macht handelt, mit dem Ergebnis, dass nicht die beste Person, sondern die „erwünschte“ die Stelle „bekommt“, ist diese Umgehung eine Form von Korruption.

In der Praxis existieren zahlreiche Techniken und Taktiken, die einen anscheinend StellBG- oder AusG-konformen Bestellungsprozess hintergründig durch Postenschacher konterkarieren. 

Zahnlose Regelung

Das StellBG ist eine sogenannte „lex imperfecta“, d.h. bei Verstößen dagegen ist seit 1998 im Gesetz keine Sanktion vorgesehen. Vom Rechnungshof in Berichten vielfach aufgezeigtes Zuwiderhandeln gegen diese Rechtsnorm wird bestenfalls als nahezu folgenlose Petitesse abgetan, was eine langandauernde Rechts- und Politunkultur dokumentiert.  

Obwohl § 5 StellBG unter anderem festlegt, dass die Namen aller Personen, die an der Entscheidung über die Besetzung mitgewirkt haben, zu veröffentlichen sind, wird dem typischerweise nur insofern Genüge getan, als bloß die Mitglieder der jeweiligen Hearingkommission medial angeführt werden.

Auch das AusG hat keine Sanktionen vorgesehen. Daher kann es vor allem durch unsachliches, parteiisches und/oder willkürliches Wirken vor allem der Mitglieder der diversen Kommissionen zu verschiedenen Formen von Korruption kommen. Es sind also jene Praktiken sanktionslos, welchen der Verhaltenskodex zur Korruptionsprävention im öffentlichen Dienst aus 2020 entgegenwirken soll.

Als problematisch kann z.B. gesehen werden, dass die Mitglieder der Kommissionen zwar in Ausübung dieses Amtes selbständig und unabhängig sind, jedoch gesetzlich nicht ausgeschlossen ist, dass ihnen durch ihre diesbezügliche Tätigkeit Nachteile bei ihren sonstigen Aufgabenerfüllungen im Bundesdienst erwachsen können. Dies ermöglicht eine zumindest indirekte Beeinfluss- und Steuerbarkeit.

Ein ganz konkretes Einfallstor für Interventionen kann auch darin bestehen, dass gemäß AusG z.B. der*die Bundesminister*in[5] das Recht hat, sich über die Vorgänge einer im Bereich des Ressorts eingerichteten und als „unabhängig“ bezeichneten Kommission zu informieren.

Lösungsansätze

Durch Missbrauch überantworteter Macht bei Stellenbesetzungsentscheidungen zum privaten Vorteil, also durch diese Form der Korruption, besteht ein großes Risiko, nicht die bestgeeigneten Personen mit Führungspositionen in öffentliche Unternehmen oder mit Leitungsaufgaben im Kernbereichen der Verwaltung zu betrauen. Neben möglichen finanziellen Schäden, kann auch die Reputation der und das Vertrauen in die Politik bzw. staatliche Entscheidungsträger massiv beeinträchtigt werden.

TI-Austria empfiehlt daher Folgendes in Hinblick auf das Stellenbesetzungsgesetz bzw. sinngemäß zum Ausschreibungsgesetz:

  • Verbesserte Transparenz und Nachvollziehbarkeit zur Gewährleistung eines objektiven Auswahlprozesses durch:

Dokumentation und Offenlegung der objektiven Bestellungskriterien, der detaillierten Entscheidungsgründe bzw. Beurteilung und aller am Auswahlprozess beteiligten Personen; detaillierte Begründung beim Abgehen von einem Reihungsvorschlag einer Kommission oder eines beigezogenen Personalberatungsunternehmens;

  • Verstärktes Bekenntnis zur Objektivität durch Selbsterklärung:

Erklärungen aller Beteiligten inkl. beigezogener Personalberatungsunternehmen oder sonstiger Dritter; Diese Erklärung beinhaltet, dass die Unterfertigten nach bestem Wissen und Gewissen den Auflagen und Vorgaben des StellBG (oder sinngemäß AusG) folgen;

  • Gewährleistung der Regelkonformität durch abschreckende Sanktionen:

Einführen von drastischen Konsequenzen bei Gesetzesverstößen, wie z.B. aufschiebende Wirkung für Bestellungen bei Verdacht auf „Postenschacher“, Nichtigkeit von Verfahren, Schadenersatzpflicht bzw. Ausschluss von zukünftigen öffentlichen Aufträgen für beigezogene Personalberatungsunternehmen bei unsachlicher Abweichung von objektiven Kriterien;

  • Stärkung der Rechte der Bewerber*innen:

Subjektives Recht auf Einhaltung der Regelungen; Auskunftsrecht unterlegener Bewerber*innen, in welchen Punkten die eigene Qualifikation von der Begutachtungskommission bzw. beigezogener Personalberatungsunternehmen schlechter gesehen wurde, samt Begründung.

 

Kontakte für Rückfragen:

Prof. Eva Geiblinger        Dr. Rene Wenk                                        Luca Mak LL.M. (WU)   

Vorstandsvorsitzende     Leiter AG Staatsnahe Unternehmen      Geschäftsstellenleiter

 

TI-Austria

Tel.: +43 (0)1 960 760

E-Mail: office@ti-austria.at

 

[1] https://www.ti-austria.at/wp-content/uploads/2016/01/Forderungspapier-2017.pdf

[2] https://antikorruptionsbegehren.at/der-inhalt/#page-content

[3] Detaillierter ist dieser Vertrag überdies noch in der von der Bundesregierung beschlossenen Vertragsschablonenverordnung normiert.

[4] Deren spezifische Tätigkeit ist überdies durch eine Verordnung der Bundesregierung, nämlich der Geschäftsordnung zum AusG (AusG-GO), näher bestimmt.

[5] Als Leiterin oder Leiter der Zentralstelle