Statt Whistleblowing-Schutz kommt der nächste blaue Brief aus Brüssel
Wien, 15.12.2022: Der Bundeskanzler der Republik Österreich selbst setzte am 1. Dezember 2022 das Ziel „in die Top drei im internationalen Ranking von Transparency International zu kommen.“[1] Mit der Säumigkeit bei der Umsetzung eines adäquaten Whistleblower-Schutzes wird er dieses Ziel nicht erreichen – eher abrutschen.
Ein Jahr nach Ende der Frist zur Implementierung eines Gesetzes sind Hinweisgeber/innen in Österreich noch immer schutzlos potenziellen Repressalien und Nachteilen ausgesetzt. Zwar wurde im Juni ein Gesetzesentwurf präsentiert, doch erfüllt der in vielen Punkten die Mindest-Anforderungen der EU-Richtlinie nicht. Auf die Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten hat Transparency International Austria, in einer umfassenden Stellungnahme im Juli, hingewiesen. Die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Der berühmte „blaue Brief“ aus Brüssel sollte als Warnschuss endlich ernst genommen werden.
“Es ist nicht nachzuvollziehen, dass seit Juni 2022 nichts passiert ist.“, meint die Vorstandsvorsitzende von TI-Austria, Prof. Eva Geiblinger. „Das Gesetz sollte längst beschlossen sein. Nur Lippenbekenntnisse reichen sicher nicht. Transparency hat eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf an das zuständige Arbeitsministerium und das Parlament übermittelt. Bis heute hat es dazu keinerlei Feedback gegeben. Anscheinend will die Politik nicht unter die ersten drei, sondern unter die letzten drei EU-Staaten des Korruptions-Rankings. Diese Blockadehaltung steht im offensichtlichen Wiederspruch zur Aussage des Bundeskanzlers. Die Deadline zur Umsetzung ist schon seit genau einem Jahr verstrichen. Transparency fordert das „Commitment“ der Politik ein.“
TI-Austria appelliert an Regierung und Parlament, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten und damit einen überfälligen und wichtigen Schritt in Richtung Bekämpfung von Korruption in Österreich zu setzen. Das allein reicht zwar nicht aus, um den Sprung in die „Top drei des Transparency CPI Rankings“ zu schaffen, jedoch wäre ein ausgereiftes Whistleblowing-Gesetz ein erster Schritt, der Österreich nachhaltig dabei helfen kann, endlich wieder einmal nicht nur negative Schlagzeilen iZm Korruption zu haben.
Mag. Kristof Wabl, Leiter der AG-Whistleblowing: „Die Expert/innen von TI-Austria sind im stetigen internationalen Austausch und vergleichen bereits umgesetzte Gesetze und Gesetzesentwürfe. Im Ergebnis kann der österreichische Entwurf einfach nicht mithalten. Die derzeit vorliegende Version ist eine vertane Chance und führt zu einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit, sowohl bei Hinweisgeber/innen als auch bei Unternehmen.“
Kernpunkte der TI-Stellungnahme sind:
- Ausweitung des sachlichen Geltungsbereichs!
- Anonyme Systeme bieten den Hinweisgeber/innen den besten Schutz und sollten umfassend im Gesetz geregelt werden!
- Keine Einschränkungen nach Unternehmensgröße oder nach Inhalt der Meldung!
- Gleichstellung von internen und externen Stellen!
- Das Strafen- und Sanktionssystem muss überarbeitet werden! Hürden für Hinweisgeber/innen müssen abgebaut werden!
Die gesamte und umfangreiche TI-Stellungnahme ist unter folgendem Link abrufbar:
TI-Austria-Stellungnahme-zum-Entwurf-fuer-das-HSchG_Juli-2022.pdf
Kontakt für Rückfragen:
Transparency International Austria
Tel.: +43 (0)1 960 760
E-Mail: office@ti-austria.at
[1] Ein Jahr im Amt: Nehammer, ein Kanzler zwischen Krisenpolitik und Parteikrise | Kleine Zeitung & ÖVP im Umfragetief – Nehammer: „U-Ausschuss ist eine Art Giftausschuss“ | krone.at