Transparency International Austria
Begutachtungsstellungnahme KorrStrÄG 2023 – Teil I
- Einleitung
- Transparency International Austria (kurz: TI-Austria) dankt für die Möglichkeit zur Stellungnahme und nimmt zum Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korruptionsbekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates und das Bundesgesetz über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments geändert werden (Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023 – KorrStrÄG 2023) (244/ME).
- Nach der Regierungsvorlage sollen durch das Vorhaben Lücken im Korruptionsstrafrecht, etwa durch Einbeziehung von Personen in die Bestechungsbestimmungen, die sich um eine Funktion als Amtsträger bewerben, geschlossen werden. Das Korruptionsstrafrecht solle neue Bedrohungslagen abbilden, um die Bevölkerung effektiv zu schützen und die Korruptionsbekämpfung effektiv voranzutreiben (Regierungsprogramm 2020-2024, S. 21).
- Der Entwurf möchte dies durch Definition des neuen Begriffs des „Kandidaten für ein Amt“ und Erweiterung der Strafbarkeit auf solche Kandidaten für ein Amt für Bestechung und Bestechlichkeit (nicht aber für die anderen Korruptionsdelikte), durch Einführung des Straftatbestands „Mandatskauf“, durch eine (als solche bezeichnete) „Einschränkung“ der Möglichkeit, pflichtgemäße Amtsgeschäfte durch Vorteile zu „kaufen“ und durch Einführung einer zusätzlichen Qualifikation bei 300 000 Euro übersteigendem Wert des Vorteils bei sämtlichen Korruptionsdelikten des öffentlichen Bereichs mit dafür höherer Strafdrohung (bis dann 15 Jahre Freiheitstrafe) erreichen. Zusätzlich soll der Tagessatzstrafrahmen für Verbände erhöht werden.
- Transparency International begrüßt, dass nunmehr ein längst überfälliger Entwurf für eine Ergänzung des Korruptionsstrafrechts vorgelegt wurde, der die Ereignisse der letzten Jahre aufgreift und die Verfolgung von Korruption verbessern soll. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für Justiz und den in den politischen Gremien damit Befassten wird an dieser Stelle für ihre Bemühungen gedankt. Mit der Vorlage dieses Entwurfs besteht eine konkrete Diskussionsgrundlage. Gleichwohl erreicht der Entwurf sein Ziel indes nicht – zu viele unscharfe Begriffe, zu komplexe Tatbilder und bei weitem zu viele Ausnahmen verhindern, dass die vorgeschlagenen Regelungen klar verständlich und gut vollziehbar sind und das bestehende Spektrum an Bedrohungslagen abbilden. Würde dieser Entwurf unverändert Gesetz, wäre damit für die Korruptionsbekämpfung kaum etwas gewonnen.
- Im Einzelnen:
- Zur „Kandidatenkorruption“ – § 74 Abs 1 lit. 4 d StGB
- Die Regelung über die Strafbarkeit der „Kandidatenkorruption“ – das notwendige Kernstück der Novelle – greift aus zwei Gründen zu kurz. Erstens enthält sie eine – unnötige – Definition des „Kandidaten“, anstatt jedermann unter Strafe zu stellen, der Vorteile für ein künftiges Amtsgeschäft annimmt, fordert oder sich versprechen lässt. Zweitens ist die gewählte Definition des Kandidaten recht kompliziert und ungenügend geraten und wirft erhebliche Abgrenzungsprobleme auf. Drittens ist die Beschränkung der Strafbarkeit auf Fälle, in denen der Kandidat auch tatsächlich Amtsträger wird, nicht geeignet, dem Unrechtsgehalt Rechnung zu tragen. Viertens ist unverständlich, warum man sich nach dem Entwurf pflichtgemäße Amtsgeschäfte von Kandidaten kaufen können soll, während das bei bereits bestellten Amtsträgern nicht der Fall ist. Dazu sogleich im Einzelnen:
- Zum Ersten: Die zentrale Aufgabe des Korruptionsstrafrechts ist es, den „Kauf“ eines Amtsgeschäfts zu pönalisieren. Ein rechtsstaatliches Gemeinwesen verträgt es nicht, wenn öffentliche Aufgaben nicht durch die Gesetze und sonstigen Normen, durch pflichtgemäßes Ermessen und angemessene Sorgfalt bestimmt, sondern durch Zahlungen oder sonstige Vorteile an Amtsträger motiviert werden. Wie es der OGH in seinem richtungsweisenden Erkenntnis schon vom 3. März 1961 (8 Os 174/60) und später wiederholt, etwa zu 17 Os 8/16d ausgedrückt hat, soll die „Sauberkeit, Reinheit und Unverkäuflichkeit“ der Amtsführung geschützt werden, die notwendiges Fundament für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz ist.
- In früheren Zeiten schien es dabei ausreichend, es Personen, die bereits Amtsträger waren, zu verbieten, für ihre Amtsgeschäfte oder im Hinblick auf ihre Amtsführung („Anfüttern“) Vorteile anzunehmen, zu fordern oder sich versprechen zu lassen. Spätestens seit der Diskussion iZm mit dem sogenannten „Ibiza-Video“ als Anlass ist aber klar, dass diese Regelung nicht ausreicht. Es ist ebenso verwerflich, einer Person durch Vorteile zu künftigen Amtsgeschäften motivieren (oder sie davon abhalten) zu wollen, wenn sie noch nicht Amtsträger ist. Im Bereich einer künftigen Amtsführung mag es schwierig sein, Abgrenzungen zwischen Vorteilen für diese Amtsführung und ohne solchen Zusammenhang zu treffen. Für das synallagmatische Austauschverhältnis zwischen Vorteil und konkretem Amtsgeschäft, das Bestechung und Vorteilsgewährung (sowie die komplementären Passivdelikte) miteinander verbindet, gilt das aber nicht. Aus diesem Grund ist die Eingrenzung der Strafbarkeit auf bestimmte Personengruppen, die als „Kandidaten“ umschrieben werden sollen, unverständlich.
- Möchte sich jemand von einer beliebigen anderen Person für den Fall, dass diese Amtsträger wird, ein konkretes „Amtsgeschäft“ „kaufen“, so soll dies strafbar sein. Weitere Voraussetzungen und Einschränkungen sind – auf dieser Ebene – nicht notwendig und nicht angemessen.
- Zum Zweiten: Die Definition des „Kandidaten“ ist zu kompliziert und wirft eine Reihe schwieriger Abgrenzungsfragen auf, die den Vollzug dieser Bestimmung erschweren und das Risiko aufwerfen, dass das ganze „Kandidatenstrafrecht“ in Wahrheit weitgehend unanwendbar wird.
- Kandidat soll sein, wer sich „in einem Wahlkampf, einem Bewerbungs- oder Auswahlverfahren zu einer nicht bloß hypothetisch möglichen Funktion als Amtsträger (Z 4a) oder in einer vergleichbaren Position zur Erlangung einer von ihm angestrebten Funktion als oberstes Vollzugsorgan des Bundes oder eines Bundeslandes oder als Organ zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung befindet“. Die Erläuterungen führen dazu ergänzend aus, dass „bei Parteivorsitzenden und Klubobleuten … wird im Wahlkampf für den Nationalrat stets davon auszugehen sein, dass diese indirekt auch ein Ministeramt anstreben.“ Die Erläuterungen meinen weiters, dass „Fälle, in denen es keine realistische Chance dafür gibt, dass die Amtsträgerfunktion tatsächlich erlangt werden kann, von vornherein ausscheiden (zB aussichtsloser Listenplatz bei einer Wahl, Bewerbungsvoraussetzungen werden offenkundig nicht erfüllt).“.
- Die Bestimmung ist allzu unbestimmt. Was eine „vergleichbare Position“ zu einem Wahlkampf, einem Bewerbungs- oder einem Auswahlverfahren sein soll, ist unklar. Der Begriff genügt den Anforderungen gerade des Strafrechts an das Bestimmtheitsgebot nicht. Ein solcher unbestimmter Begriff führt zwangsweise zur Einleitung unnötiger Ermittlungsverfahren wie zum – womöglich ungerechtfertigten – Freispruch in Hauptverhandlungen. Die Regelung bildet auch die Realität nicht ausreichend ab. Funktionen als Bundesminister oder Staatssekretär etwa werden sehr häufig sehr kurzfristig vergeben, wiewohl sich das Umfeld für mehrere Personen zuvor Hoffnung gemacht oder Chancen ausrechnet hat. Die begründungslose Behauptung, gerade Parteivorsitzende und Klubobleute werden wohl stets ein Ministeramt anstreben, zeigt die wertende Hilflosigkeit der beabsichtigten Regelung auf. Was geschieht, wenn ein Parteivorsitzender im Wahlkampf ein Ministeramt ausschließt, was, wenn eine Klubobfrau für sich entschieden hat, sich nicht gewinnen zu lassen, was gilt für stellvertretende Klubobleute und Parteivorsitzende? Überhaupt gehen die Erläuternden Bemerkungen von der – ebenfalls unbegründeten – überkommenen Meinung aus, dass ein Ministeramt wohl als eine Art „Krönung“ der eigenen Laufbahn angesehen werden muss. Das mag für einige Personen stimmen, für andere aber gerade nicht. Aus Sicht der Definition eines objektiven Kriterien verpflichteten Tatbestands handelt es sich um ein ungeeignetes Kriterium. Abgesehen davon ist auch nicht klar, wann ein „Wahlkampf“ nun beginnt – was ist mit sogenannten „Zwischenwahlkämpfen“, dem ebenfalls schon vorgekommenen „permanenten Wahlkampf“ etc.? Nicht einzusehen ist auch, warum der Kauf eines künftigen Amtsgeschäfts einen Tag vor Wahlkampfbeginn oder Auswahlverfahren zulässig sein soll. Beide Termin sind willkürlich beeinflussbar (Handeln vor Wahlkampfbeginn, Absenden der Bewerbung).
- Dass Fälle, in denen bloß eine hypothetische, gemeint wohl unrealistische, Chance auf die Amtsträgereigenschaft besteht, aus der Strafbarkeit ausgeschlossen werden sollen, kann durchaus diskutiert werden. Dem Entwurf gelingt aber auch hier bedauerlicher Weise keine praxistaugliche Abgrenzung. Sollen Staatsanwaltschaft und Gericht ex ante politisches Orakel spielen, welche Partei wie viele Mandate erzielen wird, wie groß die Chance einer Person auf ein Ministeramt zum Tatzeitpunkt waren (hypothetisch, mehr als hypothetisch, niemand hat sich damals Gedanken gemacht) oder wie ein Bewerbungsverfahren ausgehen wird? Auch diese Regelung muss dazu führen, dass stets ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden wird müssen (schon um die Hypothetik oder Nicht-Hypothetik zu ermitteln) und, dass Schuld- oder Freisprüche danach erfolgen müssten, ob das Gericht etwa die Chancen einer Kleinpartei als hypothetisch einstuft oder nicht. Es steht zu befürchten, dass entweder das Abgrenzungskriterium in Richtung „nicht rechtlich unmöglich“ interpretiert und damit weitgehend bedeutungslos wird oder aber eine Art „Umfragestrafrecht“ droht (wie war die Umfragelage damals), die damit plötzlich – und unerwünscht – normative Kraft erlangen würden.
- Die Schwierigkeiten bei dem Bemühen, einen ausreichend bestimmten, genügend weitgehenden und tauglichen Kandidatenbegriff zu fassen, zeigen, dass es sich dabei nicht um die richtige Annäherung an das Problem handelt (siehe oben bei „zum Ersten“).
- Zum Dritten: Dass das beabsichtigte und durch Vollzugshandlungen (Vorteilsgewährung, etc.) ins Werk gesetzte Delikt straflos sein soll, wenn der „Kandidat“ oder die „Kandidatin“ letztlich nicht zum Zug kommt, entspricht nicht dem Unwertgehalt einer solchen „Vorratskorruption“.
- Schon die Erläuternden Bemerkungen selbst erkennen, dass für die Kandidatenkorruption dieselben Strafdrohungen herangezogen werden sollen, wie für die Amtsträgerkorruption, „weil der Tatunwert als vergleichbar mit jenem von bereits ein Amt bekleidenden Personen bzw. auf der aktiven Seite von jenen Personen, die einer solchen Person gegenüberstehen, anzusehen ist.“ (EB S3 Abs 4 letzter Satz). Dieser Wertung wird zugestimmt. Bei gleichem Tatunwert ist aber nicht einzusehen, warum es darauf ankommen soll, ob etwa ein wahlwerbender Kandidat 51 % der Stimmen erhält (und gewählt wird) oder 49 % (und die Amtsträgerstellung nicht erlangt). Der Unwert liegt doch gerade darin, dass ein Täter von einer anderen Person ein Amtsgeschäft „kaufen“ möchte (oder diese bereit ist, es zu „verkaufen“) und zwar für den Fall, dass diese Person Amtsträger wird. Ob sie tatsächlich Amtsträger wird, ist von zahlreichen späteren Zufällen und Entwicklungen abhängig, die zum Tatzeitpunkt in keiner Weise vorhersehbar sind und die das Unrecht der Tat auch nicht beeinflussen.
- Diese einschränkende Bedingung sollte daher fallen gelassen werden. Im Übrigen hätte es der „Kandidat“, wird die „Kandidatenkorruption“ vor seiner Funktionsübernahme ruchbar (oder auch nur – vielleicht unzutreffende – Gerüchte), selbst und im Nachhinein in der Hand, über Strafbarkeit oder Straflosigkeit seines Verhaltens zu entscheiden, indem er z.B. das Amt nicht antritt. Er könnte aber auch von dritter Seite Pressionen ausgesetzt werden, das Amt nicht anzunehmen, weil sonst Anzeige gegen ihn wegen „Kandidatenkorruption“ erstattet würde. Beides ist demokratiepolitisch bedenklich. Schließlich würde die Regelung dazu führen, dass gewissermaßen erfolglos bleibende Tathandlungen straflos und nur erfolgreiche strafbar wären – frei nach dem Motto: „hab’s nur probiert!“. Das entspricht dem österreichischen Strafrechtssystem nicht, in dem auch der Versuch strafbar ist.
- Zum Vierten: Nach dem Entwurf soll „Kandidatenkorruption“ nur dann strafbar sein, wenn sie auf ein pflichtwidriges Amtsgeschäft gerichtet ist. Das greift zu kurz. Darin liegt ein Wertungswiderspruch. Auf die Erläuternden Bemerkungen S 3 Abs 4 letzter Satz wird neuerlich hingewiesen. Dort wird der Tatunwert der Korruption bei und von Kandidaten der bei und von aktuellen Amtsträgern gleichwertig beurteilt. Bei aktuellen Amtsträgern ist der „Kauf“ eines pflichtgemäßen Amtsgeschäfts aber zurecht strafbar – es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, dass das für „Kandidaten“ nicht auch gelten sollte. Die Lauterkeit der Amtsführung wäre auch dann beeinträchtigt, wenn man sich bei künftigen Amtsträgern pflichtgemäße Amtsgeschäfte durch Vorteile verschaffen könnte, anstatt darauf zu warten, dass die Person ihr Amt schon angetreten hat.
- Einzusehen ist hingegen die Einschränkung, dass der Tatbestand des „Anfütterns“ nicht auf „Kandidaten“ erstreckt wird – zu abstrakt könnte die Beziehung zwischen möglicher künftiger Amtsträgereigenschaft und Vorteil sein, um eine kriminalstrafrechtliche Ahndung zu rechtfertigen. Der Unterschied liegt darin, dass bei Bestechung und Vorteilsgewährung bereits ein konkretes Amtsgeschäft definiert wird, für das ein Vorteil gewährt, versprochen, angeboten, angenommen, sich versprechen gelassen oder gefordert wird, während das Beim „Anfüttern“ nicht der Fall ist.
- Zur weiteren Wertqualifikation: Das Vorhaben, eine weitere Wertqualifikationsstufe für Vorteile in einem 300.000 Euro übersteigenden Ausmaß zu schaffen, wird begrüßt – und stellt zugleich eine logisch-natürliche Fortentwicklung im Hinblick auf die übrigen Wertgrenzen des StGB dar. Obzwar festzuhalten ist, dass die fortlaufende Anhebung von Strafdrohungen allein nicht geeignet ist, strafbares Verhalten merklich zurückzudrängen, wird eine Strafdrohung von bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe für Korruption in einem derart großen Ausmaß (mehr als 300.000 Euro) dem Tatunrecht gerecht.
- Zum Mandatskauf – § 265a StGB
- Die Einführung eines Straftatbestands zum Mandatskauf wird begrüßt. Richtig führen die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage aus, dass die Freiheit der Tätigkeit politischer Parteien insbesondere auch in ihren inneren Angelegenheiten eine Grundvoraussetzung eines auf repräsentativer Demokratie beruhenden Gemeinwesens darstellt. Deshalb sind auch nur behutsame Eingriffe tunlich. Eine allzu detaillierte Regelung des inneren Parteibetriebs könnte letztlich zu einer Art Gruppe von „Staatsparteien“ führen, die iW wie staatliche Institutionen gesehen und geregelt werden. Das wäre für eine lebendige Demokratie fatal, weil der Staat (und damit der Gesetzgeber) davon Abstand zu nehmen hat, zu regeln, welche politischen Meinungen und Ziele richtig und welche falsch sind – es gibt keine richtigen und keine falschen politischen Meinungen (das VerbotsG enthält eine historisch zu erklärende gerechtfertigte Ausnahme).
- Auch der Gedanke, dass beim Mandatskauf der Entgeltbegriff anstatt des Vorteilsbegriffs verwendet wird und immaterielle Vorteile damit nicht zum Straftatbestand führen können, hat die besseren Argumente auf seiner Seite. Insbesondere das Bestimmtheitsgebot und Abgrenzungsfragen sind zu nennen.
- Nicht angemessen ist jedoch die Regelung, dass – ganz ähnlich wie bei der „Kandidatenkorruption“ – nur der erfolgreiche Mandatskauf strafbar sein soll. Auf die Ausführungen oben zu Punkt Drittens des Kapitels zur „Kandidatenkorruption“ wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen – sie gelten auch hier. Das Unrecht der Tat besteht darin, dass Entgelt für einen Listenplatz oder ein Mandat geleistet wird – ob die unrechte Tathandlung schließlich zum Erfolg führt oder der Erfolg durch Zufall oder auch Tatverhinderung durch Dritte (etwa bei vorzeitiger Aufdeckung) unterbleibt, ändert am Unrecht und am dadurch eingetretenen Verlust an Vertrauen in die demokratischen Institutionen (dazu zählen auch politische Parteien) nichts.
- Mandatskauf sollte daher auch dann strafbar sein, wenn er nicht zu einem Mandat führt.
- Der Begriff des „Verantwortlichen einer wahlwerbenden Partei“ ist neu und wird in den Erläuternden Bemerkungen in zahlreichen Schattierungen zu definieren versucht. Daran ist zu sehen, dass die Abgrenzung schwierig ist und unscharf bleibt. Strafbar sollte jedermann sein, der gegen Entgelt auf eine Listenerstellung Einfluss nimmt, sei es nun ein Parteifunktionär, ein faktisch einflussreiches Parteimitglied oder ein Lobbyist. Eine Eingrenzung auf jene, die den Wahlvorschlag erstellen, ist möglich, wenn klargestellt wird, dass jedermann Bestimmungs- oder Beitragstäter sein kann.
- In den EB wird auch ausgeführt, „zulässige Parteispenden können daher von vornherein kein Entgelt in diesem Sinne darstellen, weil Parteispenden nicht erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteils gewährt werden dürfen (vgl. § 6 Abs. 6 Z 10 Parteiengesetz; …)“. Diese Begründung ist denklogisch nicht tragfähig. Das Verbot, Parteispenden in Erwartung einer Gegenleistung zu gewähren, sichert nicht, dass dies faktisch auch stets eingehalten wird – ganz so, wie das Verbot, im Ortsgebiet über 50 km/h zu fahren nicht sichert, dass niemand diese Grenze überschreitet, eine Strafbestimmung bleibt in beiden Fällen erforderlich. Insofern ist die Eingrenzung des Tatbestands durch Abs 4 der Regierungsvorlage verständlich.
- Abs 4 leidet allerdings an einem anderen Mangel. Man gewinnt den Eindruck, dass alle möglichen „Deals“ dort zusammengetragen worden sind, um sie auch nach Einführung des Mandatskaufs weiterhin und ungestört praktizieren zu können. Das aber ist nicht der Sinn der neuen Regelung. Dort, wo Ausnahmen sachlich gerechtfertigt sind, sollen sie normiert werden, ansonsten nicht.
- Zulässige Parteispenden erfolgen – worauf die EB selbst hinweisen – ohne Erwartung einer Gegenleistung. Wird eine Gegenleistung erwartet oder gar gefordert – wie etwa die Zuteilung eines Listenplatzes – ist die Parteispende unzulässig. Insofern braucht es diese Ausnahme nicht und er wäre sogar schädlich. Es kann keinen Anwendungsfall geben, in dem eine zulässige Parteispende (ohne Gegenleistung) gewährt wird, um auf den Wahlvorschlag Einfluss zu nehmen (Gegenleistung). Normalerweise judiziert der VfGH, dass dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, sinnentleerte Regelungen schaffen zu wollen. Allzu leicht wird dann versucht, einer Norm, die eigentlich gar keinen eigenständigen Regelungsinhalt aufweist, einen solchen „einzuhauchen“. Eine zulässige Parteispende kann definitionsgemäß nicht für die Einflussnahme auf einen Wahlvorschlag gewährt werden und wird eine Parteispende dafür gewährt, so ist sie unzulässig und steht der Tatbestandsverwirklichung nicht im Wege. Die Ausnahme sollte entfallen.
- Die generelle Ausnahme der Parteiabgaben des Abs 4 ist sehr weit gefasst. So ließe sie Parteiabgaben zu, die gerade für die Zuteilung eines Mandats oder eines Listenplatzes zu leisten sind. Das Kernanliegen des neuen Straftatbestands könnte damit ausgehebelt werden. Daher sollte die – grundsätzlich verständliche – Ausnahme enger gefasst werden. Sie könnte etwa auf von der Zuteilung eines Mandats unabhängige Parteiabgaben beschränkt werden.
- Die übrigen Ausnahmen stehen einer wirkungsvollen Anwendung nicht grundsätzlich entgegen, doch führt die unbestimmte Auffangklausel der „vergleichbare Zusagen, Vereinbarungen oder Leistungen“ zu Rechtsunsicherheit. Soferne „vergleichbare Zusagen, Vereinbarungen oder Leistungen“ Entgeltscharakter haben sollten sie verboten sein.
- Zur sogenannten „Gemeinnützigkeitsausnahme“ – § 305 Abs 4 Z 2 StGB
- Das österreichische Korruptionsstrafrecht kennt eine Ausnahme, die nicht sachlichen Überlegungen, sondern mehr budgetären und politischen Überlegungen geschuldet ist – die sogenannte Gemeinnützigkeitsausnahme. Sie gehört abgeschafft.
- Pflichtgemäße Amtsgeschäfte eines Amtsträgers (z.B. Bescheide) kann man derzeit in Österreich kaufen. Das ist nicht strafbar. Voraussetzung ist, dass das Entgelt (der Vorteil) nicht an den Amtsträger, sondern an eine gemeinnützige Organisation fließt (oder einer der anderen Tatmodi gesetzt wird). Weitere Voraussetzung ist nur, dass der Amtsträger keinen bestimmenden Einfluss auf die Verwendung des „Kaufpreises“ (des Vorteils) haben darf. Das Entgelt für das pflichtgemäße Amtsgeschäft ist betragsmäßig nicht nach oben begrenzt.
- Die vorliegende Regierungsvorlage vermeint nun, eine Einschränkung dieser Ausnahme vorzunehmen, wenn sie die Voraussetzung der mangelnden bestimmenden Einflussnahme vom Amtsträger auf dessen Familienangehörige ausweitet. Das ist zum Einen – pardon – naiv, denn in der politischen wie ökonomischen Geschäftswelt bestehen Loyalitäten nicht (nur) zu Familienmitgliedern, sondern etwa zu Parteigenossen und -freundinnen oder iRv staatlichen Organisationen oder privaten Vereinigungen. Hat der amtshandelnde Amtsträger einer Gemeinde selbst etwa keinen bestimmenden Einfluss, ein anderer Mitarbeiter der Gemeinde aber schon, besteht die Problemlage ebenso. Hat nicht der Amtsträger oder sein Lebenspartner, sondern ein guter Freund diesen Einfluss, liegt die Sache gleich.
- Der bestimmende Einfluss taugt als Kriterium aber ohnehin nicht. So hat etwa der Beamte als Mitglied des dreiköpfigen Vorstands eines gemeinnützigen Vereins keinen bestimmenden Einfluss auf diesen. Dennoch mutet der Kauf eines von ihm vorzunehmenden Amtsgeschäfts gegen Zahlung einer Spende an ebendiesen Verein ganz zurecht unerträglich an.
- Die Ausnahme gehört abgeschafft. Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sollen sich Amtsgeschäfte auch nicht gegen Spenden an gemeinnützige Einrichtungen „kaufen“ können. Eine solche Zuwendung ist kein sachlicher Grund etwa für die Erteilung oder Versagung einer Genehmigung. Soweit – insbesondere auf Gemeindeebene – Bedarf nach einer Regelung von Leistungen an gemeinnützige Einrichtungen besteht, wären diese ausdrücklich zu treffen. Damit wäre eine konkrete und direkte Ausnahme geschaffen (Abs 4 Z 1).
- Der Entwurf zu § 305 Abs 4 Z 2 StGB ist – trotz Bemühen – nicht gelungen, das muss man sine ira konstatieren.
- Anhebung des Tagessatzes für Verbände – VerbVG
- Die Regierungsvorlage hält richtig fest, dass die Sanktionierungsbestimmungen (Verbandsstrafen) seit Inkrafttreten des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) mit 1. Jänner 2006 (BGBl. I Nr. 151/2015) unverändert geblieben sind. Zu ergänzen ist, dass sie schon bei Inkrafttreten außerordentlich niedrig bemessen waren. Der höchstmögliche Tagessatz beträgt 10.000 Euro, die höchstmögliche Verbandsgeldbuße (für Mord und andere mit lebenslanger oder Freiheitsstrafe bis zu zwanzig Jahren bedrohte Taten) beträgt 1,8 Mio Euro. Für die für Verbände besonders relevanten Delikte wie wertqualifizierte Vermögensdelikte ist eine Verbandsgeldbuße bis höchstens 1,3 Mio Euro denkbar.
- Im Vergleich nehmen sich die kriminalstrafrechtlichen Sanktionen gegen Verbände gegen Geldsanktionen, die Verbände bei Verstoß gegen rein administrative Vorschriften zu gewärtigen haben, allzu gering aus. Bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften (ohne die Grenzen des Strafrechts zu überschreiten), bei Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht, bei Nichteinhalten von Sanktionen, ja sogar bei Verstößen gegen reine formelle Sorgfaltspflichten, die zu gar keinem Taterfolg (Schaden) geführt haben, etwa nach dem Fm-GwG drohen Sanktionen bis zu 10 v.H. des Jahresumsatzes oder einer anderweitig bestimmten Bemessungsgrundlage – und damit für große Unternehmen ein vielfaches der denkbaren Verbandsgeldbuße etwa wegen eines schweren Korruptionsdelikts.
- Dieser Zustand ist höchst unbefriedigend.
- Der vorliegende Entwurf behebt diese grundsätzlichen Mängel und Disparitäten zwischen Kriminalstrafrecht und Verwaltungsstrafrecht für Verbände nicht (was zugegeben wohl auch nicht seine Aufgabe ist). Er nimmt sich des Themas aber immerhin an und möchte durch eine Verdreifachung der möglichen Tagessätze ein Zeichen setzen.
- Die Inflation in Österreich (nach dem VPI 1995) zwischen 2006 und 2022 betrug 44,3 %. Das bedeutet, dass es sich bei der vorgeschlagenen Anhebung um 200 % nicht nur um einen Inflationsausgleich, sondern um eine echte Erhöhung des Strafrahmens handelt.
- Transparency International anerkennt, dass die vorgeschlagene Erhöhung – von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend – substantiell ist und in die richtige Richtung weist. Der systemische Mangel, das Tagessatzsystem nicht – nach oben weiter offen – an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Verbandes zu orientieren, sondern bei einem – für große Unternehmen beinahe vernachlässigbaren – Fixbetrag zu kappen wird aber ebenso wenig behoben wie die Anzahl der Tagessätze auf ein adäquates Ausmaß erhöht. Es ist unverständlich, warum bei Verbänden etwa für schwere Korruption höchstens der Verlust des Ertrags von rund vier Monaten als strafrechtliche Folge droht (130 Tagessätze), während natürliche Personen für die gleiche Tat mit einer Freiheitsstrafe von (derzeit noch) bis zu zehn Jahren geahndet werden.
- Zusammenfassung und Alternativentwurf
- Die Regierungsvorlage zum KorrStRÄG 2023 greift die drängenden Probleme, die in Österreich zum Thema Korruptionsstrafrecht bestehen, auf. Es ist positiv, dass – nach einer allzu langen „Findungsphase“ – endlich ein Entwurf vorliegt, der sowohl den Mandatskauf als auch die „Kandidatenkorruption“ behandelt und sieht, dass die sogenannte „Gemeinnützigkeitsausnahme“ ein ernstes Problem darstellt.
- Die entworfenen Lösungen greifen aber bei Weitem zu kurz. Sie sind in einer Reihe von Punkten nicht anwendungstauglich. Sie schaffen ungerechtfertigte Ausnahmen und Schlupflöcher. Die Regierungsvorlage würde daher keine echten Lösungen bieten, die Korruptionsbekämpfung würde nicht besser, sondern komplizierter. Die zweifellos vorhandenen positiven Aspekte des Entwurfs werden durch unsachliche Ausnahmen, noch mehr aber durch komplexe Tatbestandseinschränkungen konterkariert. Der Entwurf scheint von dem Bemühen gekennzeichnet, durch eine einschränkende Fassung von Tatbeständen jedenfalls sicherzustellen, dass keine Ermittlungsverfahren eingeleitet werden können, wenn der Kernbereich der Strafbarkeit nicht offen zutage liegt. Verständlich ist daran, dass die Einleitung von Ermittlungsverfahren sorgsam zu prüfen ist, weil sie heutzutage Betroffene oft viele Jahre (und oft wegen langer Verfahrensdauer allzu lange) in ihrem sozialen, wirtschaftlichen und (höchst)persönlichen Lebensbereichen beeinträchtigen. Die o.a. Bemühung kann aber nicht dadurch funktionieren, dass einem Tatbestand zusätzliche, meist unbestimmte Tatbestandsvoraussetzungen gleichsam aufgepfropft werden. Ein Beispiel ist die oben im Kapitel zum Mandatskauf Ausnahmeregelung des § 265a Abs 4 StGB. Ob eine solche Ausnahme vorliegt, muss frisch ermittelt werden, weshalb die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens womöglich sogar in stärkerem Ausmaß nötig ist als ohne diese Ausnahmeregelung. Ein weiteres Beispiel ist die Ausnahme der „nicht bloß hypothetischen“ Wahrscheinlichkeit, die Amtsträgerposition zu erlangen (siehe oben in Kapitel zur „Kandidatenkorruption“). Wie anders als durch Einleiten eines Ermittlungsverfahrens soll die Staatsanwaltschaft denn klären, wie hoch die Wahrscheinlichkeit zur Tatzeit war? Zur grundsätzlichen Ungeeignetheit eines solchen Kriteriums siehe ebenfalls oben.
- Für Regierungsvorlagen werden gemeiniglich keine Schulnoten verteilt. Im vorliegenden Fall wäre es aber nützlich, den dem Parlament vorgelegten Entwurf nochmals – und zwar mit knapper Frist bis Anfang Juni 2023 – nochmals zu überarbeiten, so dass ein Gesetz, dass eine klare Regelung, die für die Normunterworfenen einen praktischen Leitfaden abgeben kann, und anwendungsfreundlich für Gerichte, Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei ist, noch vor der Sommerpause des Parlaments beschlossen werden und mit 1. September 2023 in Kraft treten kann.
- Transparency International bemüht sich stets, konstruktive Kritik zu üben und als fachlicher Gesprächspartner für Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz zur Verfügung zu stehen. Lautes Schreien bei jeder Gelegenheit ist unsere Sache nicht. In diesem Sinne wird hier auch – anhand des Textes der Regierungsvorlage – ein Alternativentwurf zur Diskussion unterbreitet, der die oben geäußerten Kritikpunkte berücksichtigt.
- Es soll dabei nicht unerwähnt bleiben, dass der Prozess, ein zielgerichtetes und anwendungstaugliches Gesetz zu schaffen, durchaus sehr herausfordernd ist – insbesondere auch für diejenigen, die in den Bundesministerien Entwürfe zu Regierungsvorlagen erarbeiten. Die hier geäußerte Kritik ist – auch wenn sie hin und wieder etwas zugespitzt formuliert wird – stets sachlich gemeint und soll dem Lob für die Bemühungen darum, das Korruptionsstrafrecht endlich zu verbessern, nicht Abbruch tun.
- In dem Alternativentwurf sind gegenüber der Regierungsvorlage neue Texte fett sowie farbig und Texte, die in der Regierungsvorlage, aber nicht im Alternativentwurf enthalten sind, durchgestrichen ausgewiesen. Der Alternativentwurf ist dieser Begutachtungsstellungnahme als Beilage ./1 angeschlossen.
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Luca Mak LL.M.
Geschäftsführer
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Mag. Georg Krakow
Vorstandsmitglied