Wien, 27.06.2014: Die Hartnäckigkeit von Transparency International – Austrian Chapter (TI-Austria) bei der Verfolgung seiner langjährigen Forderungen nach mehr Prävention und einer gezielteren Bekämpfung der Korruption zeigte zuletzt einige bemerkenswerte Erfolge. TI-Austria begrüßt das implementierte Transparenzpaket, die neuen Korruptionsbestimmungen und das Pilotprojekt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), bei der eine anonyme Whistleblowing-Hotline eingerichtet wurde. Zudem ist die geplante Reform der Strafprozessordnung im zentralen Punkt der Beschleunigung der Verfahrensdauer positiv zu bewerten. Es besteht aber weiterhin in vielen Bereichen massiver Handlungsbedarf, um das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken. Österreich muss den eingeschlagenen Weg konsequent weiter gehen, um einen Top Ten-Platz im TI Corruption Perceptions Index (CPI) zu erreichen. Eine solche Platzierung ist erklärtes Ziel der Arbeit von TI-Austria. Dazu stellt TI-Austria einige Forderungen auf, die im Folgenden dargelegt werden:

 

Compliance

TI-Austria fordert, dass Compliance-Management zu einem verpflichtenden Standard bei Interessensvertretern wird. Auch in Klein- und Mittelbetrieben muss sichergestellt sein, dass alle Mitarbeiter die für sie relevanten gesetzlichen Regelungen kennen und befolgen.

 

Entwicklungszusammenarbeit

TI-Austria unterstützt die Forderung nach Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und fordert eine verstärkte Unterstützung der Arbeit zur Korruptionsvermeidung und zur Verbesserung der Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit.

 

Ethik

TI-Austria fordert Maßnahmen, um ethisches Denken und Handeln stärker zu unterstützen. Dies inkludiert insbesondere:

  • die Förderung und Forderung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsprogrammen für ethisch orientiertes Handeln für Verantwortliche in Politik, Wirtschaft, öffentlichem Dienst und anderen Berufsgruppen;
  • die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts an Schulen;
  • die Erstellung von Ethik-Indizes in Politik und Wirtschaft.

 

Gesundheitswesen

TI-Austria fordert gesetzliche Regelungen in verschiedenen, kritischen Bereichen des Gesundheitswesens. Diese Bereiche inkludieren:

  • die Möglichkeit der Einsichtnahme in die „CoI/Conflict of Interests“ der Mitglieder von Beratungs- und Entscheidungsgremien von Bund, Ländern und Gebietskörperschaften;
  • die Offenlegung und Veröffentlichung jeglicher materieller Zuwendung Dritter für Einzelpersonen bei Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, durch Umwandlung von diesbezüglichen Abschnitten bisher freiwilliger Kodizes in gesetzliche Verpflichtungen;
  • die Offenlegung und Veröffentlichung der Tätigkeiten von Lobbyisten inklusive Interessensvertretungen, die zu der gesundheitspolitischen Willens- und Entscheidungsfindung von Bund, Ländern und Gebietskörperschaften beitragen können;
  • die Offenlegung der Vergabe und Beschaffung von Medizinprodukten und diagnostischen Großgeräten – wie bereits mehrfach von TI-Austria und auch seitens des Rechnungshofes gefordert. Gegengeschäfte und Zusatzleistungen sind auszuweisen.
  • Offenlegung (aber auch entsprechende Beschränkung) von Nebenbeschäftigungen im Gesundheitswesen, um mögliche Interessenskonflikte, die sich aus dem Behandlungsverhältnis direkt ergeben, zu vermeiden;
  • Einrichtung einer eigenen Whistleblowing-Hotline „Gesundheitssystem“ und Garantie für umfassenden gesetzlichen Schutz der Meldenden.

 

Lobbyinggesetz

TI-Austria fordert eine grundlegende Umarbeitung des Lobbyinggesetzes um zu gewährleisten, dass ausnahmslos alle lobbyierenden Einrichtungen erfasst werden und somit größtmögliche Transparenz ermöglicht wird.

 

Parteiengesetz

TI-Austria fordert eine Nachbesserung des Parteiengesetzes im Interesse von mehr Transparenz, verstärkter Prävention und Bekämpfung der Korruption im Rahmen der Parteienfinanzierung.

 

Staatliche Finanzspekulationen

TI-Austria fordert das Verbot staatlicher Finanzspekulationen, eine effiziente Kontrolle von dessen Einhaltung sowie Sanktionen für den Fall des Zuwiderhandelns.

 

Strafprozessreform

TI-Austria fordert die Weisungsfreistellung der Anklagebehörden zur Verfolgung und Anklageerhebung sowie eine Demokratisierung der Rekrutierung jener Personalkommissionen, denen die Erstellung von Besetzungsvorschlägen für staatsanwaltschaftliche Funktionen obliegt.

TI-Austria fordert die Beschleunigung von Ermittlungsverfahren in Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen durch Verkürzung der Ermittlungsdauer auf drei Jahre, wobei über richterlichen Beschluss auch eine Verlängerung im Einzelfall möglich sein soll.

TI-Austria fordert eine zwingende Delegation von Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen, die auch gegen politische Entscheidungsträger gerichtet sind, an eine Behörde, die örtlich nicht im Umfeld des Tatortes angesiedelt ist.

TI-Austria fordert eine Erhöhung der im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz vorgesehenen Geldbuße.

TI-Austria fordert, dass ein Teil der Verbandsgeldbuße an gemeinnützige Organisationen, die sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben haben, zu leisten ist.

TI-Austria fordert, Rechtssicherheit für die Belohnung von Kooperation durch das Unternehmen zu schaffen und diese Kooperation auch im Vollzug aktiv einzufordern.

 

Transparente Gemeinde

TI-Austria fordert ein Bekenntnis zur massiven Unterstützung der Bemühungen zur Korruptionseindämmung und die Bereitschaft, die dafür notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

 

Whistleblowing

TI-Austria fordert eine präzise gesetzliche Definition für den Begriff Hinweisgeber, die auch den Schutz des Hinweisgebers (Wahrung der Anonymität bei der Abgabe der Meldung) umfasst.

TI-Austria fordert für den privaten Sektor eine allgemeingültige gesetzliche Regelung zum Schutz des Whistleblowers (Hinweisgebers).

TI-Austria fordert eine gesetzliche Normierung, wodurch die Datenschutzbehörde den Antrag eines Unternehmens auf Einrichtung eines Meldesystems innerhalb von drei Monaten zu erledigen hat.

 

Wirtschaftspolitik

TI-Austria fordert einen klaren Einsatz Österreichs für eine konsequente Steuerpolitik,  bei der durch die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerbetrug massive Kosten verhindert werden können.

  • Stärkere Beteiligung Österreichs an den internationalen Bemühungen um eine Eindämmung von Steuerflucht und Geldwäsche.
  • Entwicklung einer österreichischen „Weißgeldstrategie“.
  • Österreich soll sich dem internationalen Konsens zum Automatischen Informationsaustausch für Zinseinkommen ausländischer Kontoinhaber anschließen und einer Erweiterung der erfassten Einkommen ohne Stellung zusätzlicher Bedingungen zustimmen. Zudem sollte bei Verdacht auf Korruption bei behördlichen Anfragen aus dem In- oder Ausland der Zugang zu Bankkonten erleichtert werden.
  • Die österreichische Gesetzgebung sollte auf Elemente eines aggressiven Steuerwettbewerbs überprüft
  • Umgekehrt sollte auch geprüft werden, inwieweit im Wege falscher Anreize oder geringer Kontrollmöglichkeiten eigene Steuereinnahmen nicht hinreichend geschützt
  • Verfahren der Finanzbehörde sollen möglichst transparent gestaltet werden, um die Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen zu gewährleisten und zu dokumentieren.

TI-Austria fordert, dass Österreich sich in internationalen Foren (EU, G-20 und IWF) dafür einsetzt, Integrität und Transparenz in der Finanzwirtschaft herzustellen und auch einen eigenen Beitrag dazu leistet.

  • Die ausdrückliche Anerkennung der Verantwortung der Politik für eine dem Gemeinwesen dienliche Finanzwirtschaft;
  • einen wirksameren Schutz vor Einzelinteressen, besonders bei Vorbereitung legislativer Maßnahmen;
  • einen stabileren Finanzsektor durch eine risikoorientierte Differenzierung des zu haltenden Eigenkapitals sowie durch Begrenzung der „leverage ratio“. Zudem eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking mit strengerer Regulierung der Letzteren, wirksame Regulierung der Schattenbanken, Transaktionsbesteuerung sowie Entlohnungsmodelle, die zu risikoärmerem Verhalten von Managern führen;
  • die Stärkung der Aufsichtsbehörden bei möglichst einheitlicher Kompetenzregelung innerhalb der EU;
  • die Lösung des „too big to fail“ Problems, da Megakonzerne nicht überschaubar und beherrschbar sind, die bestehenden Sicherungseinrichtungen überfordern und somit ein wirtschaftspolitisches Risiko darstellen;
  • eine erfahrungsgeleitete Überarbeitung der Regeln betreffend Wirtschaftsprüfer, Ratingagenturen sowie Buchführung und Bilanzierung (IFRS) im Sinne von mehr Integrität und Transparenz.

 

Weiterführende Informationen und die Langfassung des Forderungspapiers zum Download finden Sie unter Forderungspapiere.

 

Kontakt für Rückfragen:
Transparency International – Austrian Chapter
Tel.: +43 (0)1 960 760
E-Mail: office[at]ti-austria.at