Transparency International Austria (TI-A) nimmt zu zwei Aspekten des Ministerialentwurfs zu einem Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021) Stellung. TI-Austria geht es dabei um die Wahrung der Unabhängigkeit der BWB und um Transparenz im Verfahren.

I. Zum Kartellgesetz:

Der Ministerialentwurf enthält folgenden Vorschlag:

„38. Dem § 39 Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:

„In eine Kronzeugenerklärung (§ 37b Z 4) oder Vergleichsausführung (§ 37b Z 5) kann neben den Amtsparteien nur ein als Partei beteiligter Unternehmer oder eine solche Unternehmervereinigung und auch dies nur für Zwecke der Ausübung seiner bzw. ihrer Verteidigungsrechte in dem betroffenen Verfahren Einsicht nehmen. Die durch Einsicht in die Akten gewonnenen Informationen aus Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen darf diese Partei außerhalb des Verfahrens vor dem Kartellgericht oder dem Kartellobergericht nur in Verfahren über die Aufteilung einer den Kartellbeteiligten gesamtschuldnerisch auferlegten Geldbuße verwenden.““

Ein erhöhtes Geheimhaltungsbedürfnis für Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen ist anzuerkennen. Die vorgeschlagene Bestimmung ist indes zu restriktiv. Sie würde nämlich verhindern, dass Unternehmen – einschließlich des Kronzeugenunternehmens – gehindert würden, sich in Ermittlungs- und Hauptverfahren mit Informationen zu verteidigen, die sie aus einer Kronzeugenerklärung erlangt haben. Anders gesagt müssten sich Unternehmen uU strafrechtlich faktenwidrig verurteilen lassen, weil sie der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht entscheidendeInformationen, die zur Einstellung des Verfahrens oder zu einem Freispruch führen würden, nicht
mitteilen dürften. Das ist nicht sachgerecht und unzumutbar.

II. Zum Wettbewerbsgesetz:

Der Ministerialentwurf enthält folgenden Vorschlag:

„3. Nach § 1 Abs. 3 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat das Recht, sich jederzeit über
alle Gegenstände der Geschäftsführung und Aufgabenerfüllung der Bundeswettbewerbsbehörde zu unterrichten. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort unverzüglich und auf Verlangen schriftlich alle diesbezüglichen Anfragen zu beantworten, soweit dies nicht der Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde bei der Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV im Sinne von Art. 4 Richtlinie (EU) 2019/1 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, ABl. Nr. L 11 vom 14.1.2019 S.3, widerspricht.““

Eine unabhängige Wettbewerbsbehörde ist nicht nur unionsrechtlich verbindlich vorgeschrieben, sondern auch unverzichtbarer Hauptbestandteil einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftspolitik. Einschränkungen dieser Unabhängigkeit ist daher entgegenzutreten.

Die vorgeschlagene umfassende Berichtspflicht würde eine unabhängige Wettbewerbsaufsicht aushöhlen. Eine unbeschränkte und jederzeitige Pflicht über sämtliche Tätigkeiten und Handlungen zu berichten ist geeignet, die formal beibehaltene Unabhängigkeit zu untergraben. Die vorgeschlagene Bestimmung würde es zulassen, Berichte über beabsichtigte Maßnahmen, Ermittlungen,
Hausdurchsuchungen etc. anzufordern und auch in laufenden Verfahren Berichte zu verlangen. Gerade diese beiden Punkte sind aber besonders sensibel und auch geheimhaltungsbedürftig und bedürfen daher eines erhöhten Schutzniveaus.

Die im Vorschlag enthaltene Einschränkung unter Hinweis auf Art. 4 der Richtlinie ist weder ausreichend noch praktikabel. Sie reicht nicht aus, weil der äußerst hohe Abstraktionsgrad dieser „Einschränkung“ im Einzelfall nicht bestimmt genug ist. Widerspricht es der Unabhängigkeit, wöchentlich unverzüglich zu erstattende Berichte abzuverlangen oder doch erst täglich? Ist es mit der Unabhängigkeit unvereinbar, in kurzen Abständen regelmäßig über alle Gegenstände der Geschäftsführung und Aufgabenerfüllung umfassend berichten zu müssen (und so auch Ressourcen lahmzulegen)? Auf diese Fragen gibt der Entwurfstext keine Antwort, sodass Konflikte zwischen dem
Bundesministerium und der BWB vorprogrammiert scheinen.

Die Berichtspflicht ist auch prozedural intransparent, weil Anfragen auch mündlich gestellt und Fragen – sofern nicht ein Verlangen gestellt wird – auch mündlich beantwortet werden sollen. Damit ist einer instransparenten und undokumentierten Vorgangsweise Tür und Tor geöffnet. Sowohl Anfragen als auch Beantwortungen sollten jedenfalls schriftlich erfolgen, weil sie nur so in der Folge auch überprüfbar sind. Da die Öffentlichkeit ein Interesse an grundsätzlichen Fragen der BWB hat, scheint es angemessen, sowohl Anfragen als auch Antworten z.B. auf der Homepage der BWB oder des Ministeriums zu veröffentlichen. Auch dadurch wird dazu beigetragen, dass die Unabhängigkeit
der BWB erhalten bleibt.

Sofern eine Berichtspflicht über die ohnedies erstatteten Jahresberichte hinaus für notwendig erachtet wird, wäre sie auf grundsätzliche Angelegenheiten zu beschränken (keine Berichte zu Einzelfällen) und laufende Verfahren sowie beabsichtigte Maßnahmen jedenfalls auszunehmen.

Vorgeschlagen wird daher folgende Formulierung:
„(4) Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat das Recht, jederzeit schriftlich Fragen an die Bundeswettbewerbsbehörde über grundsätzliche Gegenstände der Geschäftsführung und Aufgabenerfüllung der Bundeswettbewerbsbehörde zu richten. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort schriftlich alle diesbezüglichen Anfragen zu beantworten, soweit dies nicht bei der Bundeswettbewerbsbehörde anhängige Verfahren oder von dieser beabsichtigte Maßnahmen betrifft oder sonst der Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde bei der Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV im Sinne von Art. 4 Richtlinie (EU) 2019/1 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, ABl. Nr. L 11 vom 14.1.2019 S.3, widerspricht. Anfragen und Antworten sind auf geeignete Weise zu veröffentlichen.“

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